BVI-Magazin: Herr Dr. Brandl, 10 Megabit pro Sekunde im Download und 1,7 Megabit pro Sekunde im Upload – das ist die Mindestanforderung der Bundesregierung für schnelles Internet, auf das jeder Bürger Anspruch hat. Ist diese Übertragungsrate überhaupt noch zeitgemäß?
Dr. Reinhard Brandl: Bundesminister Wissing hat über den Rechtsanspruch auf schnelles Internet im Blindflug entschieden. Es fehlt an einer genauen bundesweiten Erhebung der Bandbreiten pro Haushalt. Ob Mehrpersonenhaushalte vernünftig versorgt werden, ist vollkommen unklar. Deshalb habe ich erhebliche Zweifel, ob die festgelegten Mindestwerte pro Anschluss als Grundversorgung für eine Familie mit Kindern ausreichen. Die Entscheidung scheint das mittlerweile übliche Nutzungsverhalten der Bürger zu ignorieren. Nach zwei Jahren Pandemie, Homeoffice, üblicher Internetnutzung und im Bedarfsfall Homeschooling scheint die Ampel hier nicht auf der Höhe der Zeit zu sein. Vielmehr nutzt sie stattdessen konsequent alte Bandbreiten, um den Rechtsanspruch für den Bürger möglichst niedrig zu halten. Unserer Ansicht nach hätte die Ampel jetzt schon die Mindestbandbreiten auf mindestens 20 Mbit/s im Download und auf mindestens 3,4 Mbit/s im Upload verdoppeln sollen, damit auch in Mehrpersonenhaushalten Homeoffice und Internetnutzung technisch solide sichergestellt sind. Das entspricht auch den aktuellen Marktgegebenheiten.
Darüber hinaus plant die Ampel, dass die Mindestbandbreiten nur „regelmäßig“ erbracht werden und nicht „stets“, wie wir es fordern. Einen entsprechenden Antrag mit den höheren Bandbreiten, die „stets“ erbracht werden müssen, hatten wir von der CDU/CSU im Digitalausschuss des Deutschen Bundestages eingebracht. Leider hat die Ampel dies abgelehnt, aber in einem eigenen Antrag zumindest den eigenen Bundesminister Wissing aufgefordert, im nächsten Jahr noch einmal nachzuarbeiten. Anschließend gab es immerhin auch im Bundesrat seitens der Länder parteiübergreifend so starke Kritik an Wissings Verordnungsentwurf, dass dieser in einer Protokollerklärung den Ländern zusagte, bis Mitte 2023 die Mindestversorgungsbandbreite auf 15 Mbit/s anzuheben. Damit hat der Digitalminister auf den letzten Metern eingesehen, dass sein Vorschlag für eine Mindest-Internetversorgung von 10 Mbit/s im Download in der heutigen Zeit ungenügend ist und er die Realität von Homeoffice-Nutzung, Homeschooling und üblicher Internetnutzung völlig verkannt hat.
BVI-Magazin: SPD, Grüne und FDP haben sich im Koalitionsvertrag die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser zum Ziel gesetzt. Ist diese einseitige Festlegung auf eine Technik vernünftig?
Dr. Reinhard Brandl: Grundsätzlich begrüßen und unterstützen wir das Ziel einer flächendeckenden Versorgung mit Glasfaser natürlich. Mit der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode den Infrastrukturwechsel hin zu Glasfaser entscheidend vorangetrieben. Die Ampel muss bei ihren Zielen aber realistisch bleiben. Im Koalitionsvertrag hat sie festgehalten, dass sie für flächendeckende Versorgung mit Glasfaser bis in die Wohnung (Fiber-to-the-Home, FTTH) sorgen möchte. Eine Anfrage von uns hat allerdings ergeben, dass dem zuständigen Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) keine Erkenntnisse darüber vorliegen, wie viele Anschlüsse bundesweit bereits bis in die Wohnung vorhanden sind. Wie die Ampel ein Ziel erreichen will, über das sie keine Daten zur Verfügung hat und auch nicht erhebt, ist uns ein Rätsel. Hier braucht die Ampel zunächst einmal eine klare Datenerfassung.
Des Weiteren gibt die Ampel in den Eckpunkten zur Gigabit-Strategie das Zwischenziel aus, bis Ende 2025 die Anzahl der Glasfaseranschlüsse zu verdreifachen. Sie schafft dabei aber keine Klarheit, ob damit FTTB- (Fiber-to-the-Building) oder FTTH-Anschlüsse gemeint sind. Außerdem möchte das BMDV bis Ende 2025 mindestens die Hälfte der Haushalte und Unternehmen mit FTTB/H versorgen.
Wenn bis Ende 2025 50 Prozent der Haushalte mit Glasfaser-FTTB/H versorgt werden, müsste die Ampel bis Ende 2025 einen Großteil der Kabelnetze mit Glasfaser überbauen. Für den flächendeckenden FTTH-Ausbau bis 2030 bedeutet es, dass alle Kabelnetze in Deutschland mit Glasfaser überbaut werden müssen. Ob die Pläne der Ampel, bis in jede vorhandene Wohnung Glasfaser zu verlegen und die Kabelnetze zu überbauen, mit den bestehenden Baukapazitäten und Genehmigungsverfahren bis 2030 realistisch sind, wird sich zeigen.
BVI-Magazin: Sind 5G-Lösungen, die mit moderner Funktechnik arbeiten, für die Versorgung mit schnellem Internet nicht einfacher umzusetzen, weil keine teuren Leitungen gelegt werden müssen?
Dr. Reinhard Brandl: Es ist fraglich, ob der Ersatz von Glasfaser durch 5G-Mobilfunk langfristig tatsächlich tragfähig ist. Denn beim Mobilfunk teilen sich alle in der Mobilfunkzelle die Leistung (Shared Medium). Außerdem ist „richtiges“ 5G auch nur möglich, wenn die Mobilfunkmasten per Glasfaser angebunden sind. Folglich kommt es auch dabei zu einem engmaschigen Glasfaserausbau. Wenn es darum geht, die Grundversorgung mit schnellem Internet solange sicherzustellen, bis ein Glasfaseranschluss kommt, dann ist die 5G-Mobilfunklösung für den Bürger in jedem Fall eine Lösung.
BVI-Magazin: Das sogenannte Glasfaserbereitstellungsentgelt nach § 72 Telekommunikationsgesetz ist eine Möglichkeit, den Ausbau der Netzinfrastruktur innerhalb eines Gebäudes zu refinanzieren, eignet sich jedoch nicht für eine Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund der engen rechtlichen Vorgaben, die kaum eine Amortisierung der Kosten zulassen. Welches Instrument schlagen Sie vor, um die Glasfaser schnell ins Haus zu bringen?
Dr. Reinhard Brandl: Mit der Einführung des Glasfaserbereitstellungsentgelts können in der Regel 300 Euro auf Mieter umgelegt werden, jährlich maximal 60 Euro. In Ausnahmefällen können Kosten von maximal 540 Euro über die Umlage finanziert werden.
BVI-Magazin: Wie kann vermieden werden, dass der Anspruch des Wohnungseigentümers auf den Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität, der sich aus § 20 Wohnungseigentumsgesetz ergibt, in der Wohnungseigentümergemeinschaft zu einem Wildwuchs an Anbietern für Telekommunikations- und Mediendienstleistungen führt, der für Verwalter nicht mehr beherrschbar ist?
Dr. Reinhard Brandl: Um dies zu vermeiden, wurde mit dem § 72 Abs. 6 TKG der offene Zugang für andere Anbieter festgeschrieben. Somit muss nicht jeder Anbieter seine eigene Infrastruktur im Gebäude errichten.
Dr. Reinhard Brandl
INFORMATION
Dr. Reinhard Brandl (*1. August 1977 in Ingolstadt) ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages. Dort vertritt er als direkt gewählter Abgeordneter den Wahlkreis Ingolstadt. Er ist digitalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und ordentliches Mitglied im Ausschuss für Digitales sowie im Verteidigungsausschuss.