Balkonkraftwerke und die bauliche Veränderung

In der Energiekrise wächst das Bewusstsein für Sparsamkeit und Nachhaltigkeit. Oft wünschen deshalb einzelne Eigentümer, „Balkonkraftwerke“ zu installieren. Dieser Beitrag gibt aus wohnungseigentumsrechtlicher Sicht einen kurzen Überblick, wie ein solches Vorhaben zu bewerten ist und welche Verfahrensfragen zu berücksichtigen sind.

Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) unterscheidet bei baulichen Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum nur zwischen Erhaltung (Instandhaltung und Instandsetzung, vgl. § 19 Abs. 2 Z. 2 WEG) und baulichen Veränderungen (vgl. § 20 Abs. 1 WEG). Eine bauliche Veränderung verlangt eine auf Dauer angelegte umgestaltende Maßnahme am gemeinschaftlichen Eigentum, mit der eine andere Funktionalität oder eine abgeänderte Optik geschaffen wird (vgl. OLG München, Az. 34 Wx 119/06). In der Praxis wird der Eigentümer häufig einen Substanzeingriff verneinen, da die Anlage nur über die Balkonbrüstung gehängt würde. Eine bauliche Veränderung kann aber auch dann vorliegen, wenn ohne Substanzeingriff dauerhaft das Erscheinungsbild des gemeinschaftlichen Eigentums verändert wird (vgl. Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten § 22 Rn. 10; LG Frankfurt, Az. 2-13 S 133/20).

Der Bundesgerichtshof verlangt zwar eine Veränderung der baulichen Substanz, lässt aber offen, ob eine solche bereits vorliegt, wenn das optische Erscheinungsbild verändert wird oder ob tatsächlich ein Substanzeingriff im Sinne eines zerstörerischen Eingriffs bzw. einer festen Verbindung erforderlich ist (vgl. BGH, Az. V ZR 73/09). Eine feste Verbindung des Balkonkraftwerks mit dem Gebäude dürfte aber schon vor dem Hintergrund der Verkehrssicherheit erforderlich sein. Weiter ist die Arbeitsweise der Anlage zu ermitteln. Wird diese auf das gemeinschaftliche Leitungsnetz aufgeschaltet und erfolgt eine „Rückeinspeisung“, liegt ein Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum vor. Im Zweifel dürfte eine solche Maßnahme als bauliche Veränderung einzustufen sein.

Verfahren

Für eine bauliche Veränderung am gemeinschaftlichen Eigentum bedarf es immer eines Gestattungsbeschlusses (vgl. Lehmann-Richter/Wobst WEG-Reform 2020 § 11 Rn. 954): Der bauwillige Eigentümer muss einen genehmigungsfähigen Antrag in die Eigentümerversammlung einbringen und gegebenenfalls auch vorbereitende Ermittlungen treffen, zum Beispiel beim konkreten Netzbetreiber ermitteln, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Anlage betrieben werden darf. Der Beschlussantrag muss hinreichend bestimmt sein, damit die Wohnungseigentümer in der Versammlung für sich befinden können, ob sie ihre Zustimmung erteilen oder versagen.

Über den Antrag entscheidet die Eigentümerversammlung. Auf die Zustimmung aller Beeinträchtigten kommt es gemäß § 20 Abs. 1 WEG nicht mehr an; es genügt die einfache Mehrheit. Kommt diese nicht zustande, wird der Wohnungseigentümer sein Projekt nicht umsetzen können. Zwar ist eine Beschlussersetzungsklage möglich; diese hat aber nur Erfolg, wenn ein Gestattungsanspruch besteht. Da es sich bei einem Balkonkraftwerk aber nicht um eine privilegierte Maßnahme im Sinne von § 20 Abs. 1 S. 1 Z. 1–4 WEG handelt und zumindest die Außenseite des Balkons mehr als unerheblichen optischen Veränderungen unterliegt, wird ein solcher Anspruch zu verneinen sein. Letztlich muss der Wohnungseigentümer sein Projekt „bewerben“ und hoffen, dass die Mehrheit der Eigentümer die Genehmigung erteilt.

Unbegründete Sorge der Eigentümer

Eigentümer haben oft auch nur aufgrund der Errichtungs- und Folgekosten Vorbehalte. Diese Sorge ist unbegründet. Gestatten die Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung, hat der begünstigte Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 WEG alle Kosten und Folgekosten der Maßnahme ohnehin selbst zu tragen (vgl. Lehmann-Richter/Wobst WEG Reform 2020 § 11 Rn. 954, 1049; BT-Drucks. 19/18791, S. 69). Überdies kann ein solcher Vorbehalt auch im Genehmigungsbeschluss zusätzlich aufge-
nommen werden (vgl. BGH, Az. V ZR 64/19).

Aber auch wenn man annimmt, dass es sich nicht um eine bauliche Veränderung handelt, muss der Wohnungseigentümer einen Beschluss über die Gestattung der Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums herbeiführen. Darüber entscheiden wiederum die Wohnungseigentümer mit einem Beschluss mit einfacher Mehrheit.

Ungenehmigte Errichtung

Hat der Eigentümer die Maßnahme ohne Gestattungsbeschluss vorgenommen, handelt es sich um eine unzulässige bauliche Veränderung oder – wenn man eine bauliche Veränderung verneint – um eine zweckwidrige bzw. übermäßige Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums. In beiden Fällen kann die Gemeinschaft verlangen, die Anlage zu entfernen. Eine auf Beseitigung gerichtete Klage wäre nur dann erfolglos, wenn dem Wohnungseigentümer offensichtlich ein Anspruch auf Gestattung der Maßnahme zustünde. Das ist nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen aber nicht anzunehmen.

Olaf Linke
wir-wanderer.de

RA OLAF LINKE ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und Partner in der Sozietät Wanderer und Partner Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB in Berlin. Er bearbeitet größtenteils wohnungseigentumsrechtliche Mandate. Dabei ist er beratend und prozessbegleitend für Wohnungseigentümergemeinschaften und Verwaltungen, aber auch für Einzeleigentümer tätig.

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