Störungen nach Inkrafttreten der WEG-Reform

Beseitigungsansprüche: WEG oder Eigentümer?

Die WEG-Reform bringt viele Neuerungen mit sich, so auch bei der Frage, wer Unterlassungs- und/ oder Beseitigungsansprüche bei zweckwidriger Nutzung oder ungenehmigter baulicher Veränderung sowie sonstiger Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums geltend machen kann.

  1. Individualansprüche nach § 1004 BGB

Bringt ein Eigentümer ohne Genehmigung der übrigen Eigentümer eine Markise an, so stellt dies nach altem Recht und auch nach jetzigem Recht eine ungenehmigte bauliche Veränderung dar. Der Anspruch auf Beseitigung dieser baulichen Veränderung ergibt sich u. a. aus § 1004 Abs. 1 BGB, wonach der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann. Anspruchsinhaber ist und war auch nach altem Recht jeder einzelne Eigentümer, so dass im alten Recht jeder Eigentümer einen Individualanspruch gegen den Störer hatte. Die Gemeinschaft konnte jedoch gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 WEG a. F. die Ansprüche zur eigenen Ausübung vergemeinschaften, wodurch die für ein Klageverfahren erforderliche Klagebefugnis auf die Gemeinschaft übertragen wurde und der Eigentümer seine verlor.

 

  1. Ausübungsbefugnis nach § 9a Abs. 2 WEG

Nach § 9a Abs. 2 WEG übt die Gemeinschaft nunmehr die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Inhaber der Ansprüche aus § 1004 BGB auf Unterlassung oder Beseitigung eines störenden Zustandes bleiben die Eigentümer, der Gesetzgeber wollte jedoch eine alleinige Ausübungsbefugnis des Verbandes, so dass der einzelne Eigentümer seit dem 1.12.2020 nicht mehr klagebefugt ist.

Ist ausschließlich das Sondereigentum betroffen, so hat der Bundesgerichtshof bereits zum alten Recht entschieden, dass etwaige Störungen nur vom Sondereigentümer durchgesetzt werden können und der Gemeinschaft die Beschlusskompetenz zur Vergemeinschaftung fehle (vgl. BGH v. 24.1.2020 – V ZR 295/16). Für den Verwalter zu beachten ist daher, dass er nach wie vor nicht tätig werden darf und kann, wenn es sich nur um solche Störungen handelt, die ausschließlich einen Sondereigentümer beeinträchtigen (etwa Lärmbelästigungen durch die darüber liegende Wohnung).

 

  1. Auswirkungen auf laufende Verfahren

Mangels Übergangsvorschriften entfällt für den klagenden Eigentümer ab dem 01.12.2020 in noch anhängigen Verfahren die Klagebefugnis, so dass bereits richterliche Hinweise erteilt werden, der Rechtsstreit möge in der Hauptsache für erledigt erklärt werden. Erfolgt eine solche Erledigungserklärung nicht, so ist die Klage mangels Klagebefugnis abzuweisen (vgl. LG Frankfurt a. M. v. 11.02.21 – 2-13 S 46/20). Klagt die Gemeinschaft gegen einen Störer, wird das Verfahren ohne Beeinflussung durch das Inkrafttreten der WEG-Reform fortgesetzt.

 

  1. Anspruch des Eigentümers auf Beschlussfassung

Die von der Rechtsprechung zu klärende Frage der Zukunft wird sein, ob die Gemeinschaft zwingend auf Antrag eines Eigentümers gegen einen Störer, notfalls auch gerichtlich, vorzugehen hat. Das LG Frankfurt a M. geht zumindest davon aus, dass im Einzelfall ein Ermessen der Wohnungseigentümer bestehen kann, einen Antrag auf Beseitigung einer Störung abzulehnen. Nur wenn eine Ermessensreduzierung auf null vorliegen würde, mithin nur die positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspräche, bestünde der Anspruch des Eigentümers (LG Frankfurt a. M. v. 14.1.2021 – 2-13 S 26/20). Lehnt die Gemeinschaft daher die Durchsetzung eines Anspruchs gegen einen störenden Eigentümer ab, so muss nach hiesiger Sicht dem einzelnen Wohnungseigentümer zumindest die Möglichkeit gegeben werden, seine Ansprüche weiter zu verfolgen, etwa durch Rückübertragung der Ausübungsbefugnis im Wege des Beschlusses.

Der BGH entscheidet am 26.3.2021 über die Frage der Klagebefugnis des Eigentümers zu dem Az. V ZR 299/19.

Cathrin Fuhrländer

www.wir-jennissen.de

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