…Regeln bei der Verkehrssicherung

„Die Glorreichen Sieben …“

Die WEG-Verwaltung ist komplex und vielschichtig. In unserer Reihe „Die Glorreichen Sieben…“ beleuchtet Massimo Füllbeck, Fachtrainer für Immobilienverwaltung, daher kompakt und übersichtlich die sieben wichtigsten Regeln verschiedener Aspekte des Verwaltungsalltags.

  1. Wer ist für die Verkehrssicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zuständig?

Derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält oder der eine Sache beherrscht, die für Dritte gefährlich werden kann oder gefährliche Sachen dem allgemeinen Verkehr aussetzt oder in den Verkehr bringt, ist für die Verkehrssicherungspflicht zuständig. Der Verkehrssicherungspflichtige muss alle erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen treffen und die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten.

Bei dem Gedanken an das Thema Verkehrssicherung werden sicherlich bei einigen Verwaltern Erinnerungen wach, denn das OVG NRW (Beschluss vom 15.04.2009, 10 B 304/09) hatte mal kurioserweise entschieden: „Der Verwalter kann durch eine Ordnungsverfügung zur Sicherstellung des Brandschutzes im Bereich des Gemeinschaftseigentums in Anspruch genommen werden.“ Was das Gericht damals nicht korrekt bewertet hatte, war der Umstand, dass dem Verwalter grundsätzlich keine Entscheidungsbefugnisse zustehen, sondern – wenn überhaupt – eine Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Seit der in Kraft getretenen WEG-Reform zum 1. Dezember 2020 sollte jetzt klar sein, dass die originäre Verkehrssicherungspflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft obliegt. Gemäß § 18 Abs 1 WEG i. V. m. § 9a Abs. 2 Hs. 1 WEG obliegt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nämlich nun der Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht mehr den Wohnungseigentümern. Zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehört weiterhin der Abschluss einer Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung (§19 Abs. 2 Ziffer 3 WEG).

 

  1. Mitverschulden des Verwalters?

Zu einer ordnungsmäßigen Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gehört auch die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht. Der Verwalter kann daher im Innenverhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft haften, wenn er seiner Aufgabenerfüllung als Organ der WEG schlecht oder nicht nachkommt.

 

  1. Aufgabe des Verwalters im Zusammenhang mit der Verkehrssicherung

Nachfolgend sollen die wichtigsten Punkte genannt werden, die zu den Aufgaben des Verwalters im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht gehören:

 

  • Nach vereinzelter Meinung in der Literatur soll mindestens einmal im Jahr eine ausführliche Begehung des Objektes durchgeführt und entsprechend dokumentiert werden. Möglicherweise wäre es sogar ratsam, den Hausmeister oder Verwaltungsbeirat mit einzubeziehen. Nach hier vertretener Auffassung reicht die einmalige Begehung im Jahr nicht aus, denn im Laufe eines Jahres können sich ständig irgendwelche Gefahrenquellen auftun, die es zu beseitigen gilt. In der Praxis wird der Verwalter in der Regel vom Verwaltungsbeirat unterstützt, sodass durch eine konstruktive Zusammenarbeit die Anzahl der Objektbegehungen reduziert werden kann.
  • Nach besonderen Wetterereignissen (z. B. Sturm) sollte stets eine Kontrolle des Objektes vorgenommen werden (z. B. durch einen Dachdecker, zumindest vom Hausmeister).
  • Soweit Verkehrssicherungspflichten delegiert werden (z. B. auf den Hausmeister oder eine Winterdienstfirma) treffen den Verwalter zusätzlich Überwachungspflichten. Hierfür muss der Verwalter allerdings nicht täglich das Objekt begehen. Der Verwalter hat seine Aufgaben im Rahmen der Verkehrssicherung gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft erfüllt, wenn er diese z. B. auf eine zuverlässige Hausmeisterfirma übertragen hat. Zu einer Überwachung der Hausmeisterfirma ist der Verwalter nicht verpflichtet, wenn über mehrere Jahre hinweg kein Anlass zu Beanstandungen bestand.

 

  1. Beseitigung von Gefährdungen im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums durch den Verwalter?

Der Verwalter hat in der Regel seine Pflichten erfüllt, wenn er die Wohnungseigentümergemeinschaft auf einen entsprechenden Zustand des Gebäudes oder des Gemeinschaftseigentums hinweist und über die Frage der Beseitigung des mangelhaften Zustandes abstimmen lässt.

Sofern ein dringender Fall vorliegt, ist der Verwalter nur zu einem sofortigen Handeln berechtigt (ohne vorherigen Beschluss der WEG), welche die Gefahrenlage beseitigt, nicht jedoch zur Vornahme oder Beauftragung von Arbeiten, die einer dauerhaften Beseitigung der Schadensursache dienen (BGH vom 18. Februar 2011 - V ZR 197/10, NJW-RR 2011, 1093 Rn. 27).

Seit dem 1. Dezember 2020 ist der Verwalter gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu einer erheblichen Verpflichtung führt. Ob und in welcher Größenordnung auch Maßnahmen zur Beseitigung von Verkehrssicherungsgefahren hierzu gehören, wird die Rechtsprechung wohl klären müssen.

 

  1. Handlungspflichten für Wohnungseigentümer?

Mit seiner Entscheidung vom 9.3.2012 hat der BGH (V ZR 161/11) nochmals klargestellt, dass der Wohnungseigentümergemeinschaft keine Beschlusskompetenz zusteht, den Wohnungseigentümern Handlungspflichten (z. B. Durchführung des Winterdienstes gemäß Schneeplan) aufzuerlegen. Nur durch eine Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung wären solche Handlungspflichten möglich. Nach überwiegender Ansicht können diese Pflichten auch nicht in einer Hausordnung verankert werden.

 

  1. Einige interessante Urteile zur Verkehrssicherung

BGH, Urteil vom 6.5.2015 – VIII ZR 161/14; NJW 2015, 2111

Auch vor Inkrafttreten der Trinkwasserverordnung, kann der Vermieter haften, wenn er seine Betreiberpflichten verletzt hat – hier: jahrelang keine Wartung der Trinkwasserinstallation!

LG Frankfurt a. M., Urteil v. 12.5.2015 − 2-13 S 127/12; ZWE 2015, 458

Eine Regelung, während der Nachtzeiten die Haustür verschlossen zu halten, entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Hinweise aus der vorgenannten Entscheidung:

(…) Denn das Abschließen der Hauseingangstür führt zu einer erheblichen Gefährdung der Wohnungseigentümer und ihrer Besucher. Durch das Abschließen der Haustür ist ein Verlassen des Gebäudes im Brandfalle oder in einer anderen Notsituation nur möglich, wenn ein Schlüssel mitgeführt wird.

LG Frankfurt a. M., Urt. v. 14.3.2019 – 2-13 S 94/18; ZMR 2019, 713

Eine „Dekoration“ des Treppenhauses durch Eigentümer ist nicht per se unzulässig.

Hinweise aus der vorgenannten Entscheidung:

(…) Eine Störung behaupte die Klägerseite insofern, als das Treppenhaus als Rettungsweg verengt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Pflanzen und sonstigen von der Beklagten aufgestellten Sachen nehmen nur einen geringen Teil der Fläche des Treppenhauses ein. (…)

 

  1. Pflichtenkatalog zur Verkehrssicherung des Verwalters

Zur Dokumentation der Begehungen bietet es sich an, ein vorgefertigtes Formular zu benutzen (auch digital möglich). Folgende Themen oder gesetzliche Vorschriften (nicht abschließend) sollten in jedem Fall Bestandteil dieser Dokumentation sein:

 

  • Zustand der gemeinschaftlichen Räume (Brandlasten, Gegenstände, Fluchtwege versperrt?)
  • Zustand des Gebäudes (insbesondere Dach oder lose Fassadenplatten, Tiefgaragentor etc.)
  • Zustand der Außenanlagen (z. B. Beleuchtung, Bäume etc.)
  • Betriebssicherheitsverordnung (z. B. Pflichten zum Aufzug)
  • Feuerpolizeiliche Auflagen (z. B. Brandschutz)
  • Garagenverordnungen (Brandschutz und Brandschau)
  • Räum- und Streupflichten in der Kommune
  • Spielplatzverordnung der Kommunen und Wartungspflichten
  • Trinkwasserverordnung (z. B. Legionellenprüfung)
  • Energiegebäudegesetz
  • Landesbauordnungen der jeweiligen Bundesländer

Massimo Füllbeck

mfuellbeck@hotmail.com

 

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