Hier gibt es einen massiven Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Aktuell fehlen in den zehn deutschen Großstädten, die den stärksten Wohnungsmangel haben, mehr als 100.000 Wohnungen – rund 17.500 davon allein in Frankfurt am Main und 8.000 in Stuttgart. Wenn der Wohnungsbau nicht verdoppelt wird und auf mindestens 130.000 neue Wohnungen pro Jahr ansteigt, dann wird sich die Wohnungslücke drastisch vergrößern: In fünf Jahren werden dann 400.000 Wohnungen bundesweit fehlen. Unterm Strich bedeutet dies somit, dass bis 2017 insgesamt 825.000 Wohnungen neu gebaut werden müssen.
Deutschland hat wieder eine Wohnungsnot – nicht überall; aber in den meisten Großstädten wie Hamburg, Köln, Düsseldorf, Münster, Frankfurt am Main, Heidelberg, Stuttgart, Wiesbaden, Mainz, Darmstadt oder München ist es wieder schwer geworden, eine Wohnung zu finden. Die Wohnungsnot ist nicht nur gefühlt: Die Angebotsmieten, als objektive Indikatoren für Knappheit, sind allein in den letzten vier Jahren im Durchschnitt aller kreisfreien Städte um elf Prozent gestiegen, in Hamburg sogar um 28 Prozent. Und die Wohnungsnot wird sich in den Großstädten noch verschärfen: Denn dort wird die Bevölkerung weiter wachsen. Und da die Zahl der Haushalte, also der eigentlichen Wohnungsnachfrager, noch stärker wächst als die Zahl der Einwohner, wird die Wohnungsnot überproportional zunehmen.
Die neue Wohnungsnot ist hausgemacht
Die neue Wohnungsnot ist nicht überraschend gekommen – sie war vorhersehbar und vorprogrammiert. Seit zehn Jahren schon sind die Bauleistungen niedrig, und seit 2007 erreichen sie nur noch Hälfte des Niveaus, das gebraucht würde, um den Ersatzbedarf und den Zusatzbedarf in den wachsenden Regionen Deutschlands zu decken. Nur noch 178.000 Wohnungen sind im Jahr 2011 fertiggestellt worden. Mitte der 90er Jahre wurden noch über 600.000 Wohnungen jährlich gebaut, und Anfang der 70er Jahre sogar bis zu 810.000 Wohneinheiten pro Jahr.
Studien belegen, dass der schrittweise Rückzug des Bundes aus der Wohnungsbauförderung in den vergangenen 15 Jahren zu der neuen Wohnungsnot geführt hat. Die Zahl der geförderten neu errichteten Wohneinheiten ist von bundesweit 38.911 Wohneinheiten im Jahr 2002 um 43 Prozent auf 22.176 Wohneinheiten im Jahr 2010 gesunken. Selbst die neue Wohnungsnot, die ab 2008 spürbar geworden ist, hat nur zu einem geringfügigen Anstieg der Neubauförderung geführt. Stattdessen übersteigt die Zahl der Bestandsmaßnahmen, die aber keinen Beitrag zur Linderung des Wohnungsmangels leisten, die Zahl der Neubaumaßnahmen seit 2004. Die Geschichte der Wohnungspolitik im vergangenen Jahrzehnt liest sich wie eine Folge von Streichungen und Kürzungen, die die ohnehin schwierigen Bedingungen für Investitionen in den Bau von Wohnungen weiter verschlechtert haben. Die drei Säulen der Wohnungsbauförderung sind nach und nach demontiert worden:
- Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, die seit 2001 nur noch „Wohnraumförderung“ heißt, weil eine Schwerpunktverlagerung von der Neubauförderung zur Bestandsnutzung erfolgt ist, und die im Jahr 2006 ganz aus der Verantwortung des Bundes entlassen wurde.
- Die steuerliche Erleichterung des Baus von freifinanzierten Mietwohnungen durch die degressive Abschreibung, die in mehreren Runden reduziert und im Jahr 2006 komplett gestrichen wurde.
- Die Förderung des Baus von Eigenheimen, indem die Eigenheimzulage erst reduziert und im Jahr 2007 vollständig abgeschafft wurde.
Die Förderung des Wohnungsbaus als nationale Aufgabe
Die Gesamtausgaben des Bundes für den Wohnungsbau – Kompensationszahlungen zuzüglich KfW-Förderung und Bausparförderung – erreichen im Haushaltsplan für das Jahr 2012 ein Volumen von 1,1 Milliarden Euro.
Bei einem Gesamtetat von 306 Milliarden Euro entspricht dies einem Anteil von 0,4 Prozent. Für die Zukunft ist trotz wachsender Wohnungsnot keine Steigerung des Mitteleinsatzes für den Wohnungsbau zu erwarten. Der Finanzplan des Bundes sieht vor, dass die Nettokreditaufnahme zurückgefahren werden soll, indem die Ausgaben des Bundes allenfalls geringfügig erhöht werden sollen. Für den Wohnungsbau sieht der Finanzplan des Bundes 2011 bis 2015 eine nominale Reduzierung der Förderbeträge auf 0,9 bis 1,0 Milliarden Euro vor, was einer noch stärkeren realen Verringerung entspricht.
Die bisherigen Kompensationszahlungen in Höhe von 518 Millionen Euro pro Jahr decken in einigen Ländern gerade einmal die Altverpflichtungen ab. Die für die Wohnraumförderung vorgesehenen Bundesmittel könnten aber besonders effektiv gegen die Wohnungsnot wirken, weil es mit ihrer Hilfe möglich wäre, preisgebundene Mietwohnungen zu bauen, die gerade den einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten, die besonders stark unter der Wohnungsnot leiden, unmittelbar helfen würden.
Dazu wäre es erforderlich,
- die Zweckbindung der Mittel über das Jahr 2013 hinaus aufrecht zu erhalten,
- die Zweckbindung auf den Neubau von Wohnungen auszuweiten (um zu verhindern, dass die Mittel für den Erwerb von Gebrauchtobjekten eingesetzt werden, was nicht gegen den Wohnungsmangel helfen würde),
- das Gesamtvolumen der Zahlungen zu verdoppeln.
Neubauförderung durch die KfW-Bank
Zurzeit werden mit den Mitteln der Wohnraumförderung bundesweit pro Jahr etwa 12.000 Mietwohnungen und 10.000 Eigentumsobjekte neu errichtet, also 22.000 Wohneinheiten insgesamt. Hinzu kommen rund 35.000 Bestandsmaßnahmen, die aber nicht zur Beseitigung des Wohnungsmangels beitragen.
Wenn man davon ausgeht, dass die Mittel zur Förderung der Bestandsmaßnahmen in den Neubau umgeleitet werden (und dass – aufgrund höheren Mitteleinsatzes für den Neubau – daraus die halbe Zahl von Neubaumaßnahmen gefördert werden könnte), und wenn das Gesamtvolumen der Mittel verdoppelt würde, ließe sich das gesamte jährliche Neubauvolumen im geförderten Wohnungsbau von derzeit rund 22.000 Einheiten auf etwa 80.000 Wohneinheiten steigern, d. h. eine Verdoppelung der Mittel würde fast zu einer Vervierfachung der Fertigstellungsleistungen führen, wenn die Mittel zugleich auf Neubaumaßnahmen konzentriert würden. Den Bund hindert nichts daran, wieder die Initiative zu ergreifen, indem er ein neues Förderprogramm entwickelt, das regionale Wohnungsbaubedarfe berücksichtigt. Der Schwerpunkt des Programms sollte darin liegen, den Bau von möglichst vielen Wohneinheiten in Regionen mit akutem Wohnungsmangel anzuregen.
Ein solches Förderprogramm könnte über die KfW-Bank eingerichtet werden und folgende Komponenten aufweisen:
- Antragsberechtigt sind Bauherren, die Mietwohnungen in Wohnungsmarktregionen errichten, in denen nachweislich ein akuter Wohnungsmangel herrscht. Ob eine Mangelsituation herrscht, stellt die Förderstelle bei der KfW-Bank aufgrund eines Antrags der jeweiligen Kommune anhand objektiver Daten (z. B. Mietniveau, Anzahl registrierter Wohnungssuchender im Verhältnis zur Einwohnerzahl) fest. Für die Entscheidung, ob eine bestimmte Kommune förderfähig ist, kann bei der KfW-Bank ein Ausschuss eingerichtet werden, der mit Bundespolitikern besetzt wird, so dass wohnungspolitische Ziele des Bundes in die Förderpraxis einfließen können.
- Die Bauherren erhalten von der KfW-Bank ein zinsverbilligtes Baudarlehen.
- Die Bauherren haben darüber hinaus die Möglichkeit, ein zusätzliches zinsverbilligtes Baudarlehen über die Wohnraumförderung ihres Bundeslandes zu erhalten.
- Die Kommune erhält von der KfW-Bank einen Förderzuschuss, wenn sie dem Bauherrn ein kostengünstiges Grundstück überlassen (käuflich oder in Erbpacht).
Mit einem solchen Programm hätten auch Bundespolitiker die Chance, bedürftigen Wohnungsmarktregionen gezielt Hilfe zukommen zu lassen. Der Bund würde seine Verantwortung für eine nationale Wohnungsbaupolitik wieder aufnehmen und dabei gleichzeitig die regional unterschiedlichen Bedarfe berücksichtigen.
Quelle:
Kampagne „Impulse für den Wohnungsbau“
Foto oben links: Sebastian Engels
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