Unabhängig vom Digitalisierungsgrad im eigenen Unternehmen, gibt es in diesem Bereich sicherlich niemals den Status „fertig“. Dies gilt selbstverständlich auch für mein Unternehmen. Mit Beginn des Jahres 2020 hatten wir so Einiges auf der Agenda: Es sollten weitere Home-Office-Arbeitsplätze eingerichtet, Prozesse digitalisiert und optimiert, ein neues Call Center gefunden und das leidige Thema der Datenbankanbindung unseres ERP-Systems verbessert werden. Doch der Reihe nach.
Als ich Mitte Februar von einem Asien-Urlaub nach Hause kam, schien die Welt noch in Ordnung. Wir hatten in Asien zwar bereits Bekanntschaft mit einfachem Mund-Nase-Schutz gemacht, doch Corona war nie wirklich unser Problem.
Dem Trubel folgt die Tristesse
Als dann aber am 13. März (tatsächlich ein Freitag der 13.) bundesweit die Schulen geschlossen wurden und nach und nach das öffentliche Leben zum Erliegen kam, war klar, dass insbesondere das Home-Office-Projekt vorgezogen werden musste. Aufgrund der bereits seit Jahren eingeführten technischen Strategie und dem damit verbundenen Einsatz eines Terminal-Servers, stellte es sich als recht einfach heraus, unseren 16 Mitarbeitern innerhalb von nur zwei Tagen einen vollständigen Zugang zur Unternehmens-IT zu schalten. Damit waren Computer und Telefonie voll funktionsfähig von zu Hause aus zu nutzen. Das Büro war leer – dem sonst so üblichen Trubel folgte fast schon Tristesse: 350 m² Bürofläche, genutzt von drei Personen, die sich zudem immer mehr aus dem Weg gingen.
Mitarbeiter werden zu VidCon-Profis
Noch am ersten Tag der Schulschließung, noch vor dem großen Lockdown, kam die Frage auf, wie das Team denn untereinander Kontakt halten könne – klassische Telefonkonferenzen kamen von vornherein nicht in Frage!
Der Austausch mit befreundeten Kollegen aus ganz Deutschland – an dieser Stelle sei mir der Hinweis auf die Vorzüge einer gelebten BVI-Mitgliedschaft gestattet – brachte bereits am Sonntag, dem 15. März die Idee der Videokonferenz als Medium hervor.
Das erste virtuelle Team-Meeting fand also via Zoom am 17. März statt, ein Novum für meine Mitarbeiter. Wir hatten gemeinsam entschieden, diese virtuellen Team-Meetings zunächst werktäglich abzuhalten, was aus heutiger Sicht sicherlich einem Overkill nahekommt. In jedem Fall führte diese Regelmäßigkeit zu einer nie erwarteten Perfektion in der Nutzung dieses Mediums – und das bei allen meiner Mitarbeiter. Egal, ob junge Auszubildende oder kurz vor der Pensionierung stehende Verwaltungsprofis – alle sind inzwischen VidCon-Profis!
Virtuelle Eigentümerversammlungen
Diese gewonnene Perfektion müsste sich doch nun auch produktiv nutzen lassen! Was ist denn mit unseren Rechnungsprüfungen, Beiratssitzungen und gar Eigentümerversammlungen, die aufgrund der immer strenger gewordenen Corona-Regelungen ja auch nicht mehr als Präsenztermine stattfinden durften? Die Lösung lag auf der Hand. Virtuell über Zoom! Nur ein äußerst kleiner Prozentsatz meiner Kunden zeigte keine Begeisterung für diese Herangehensweise. Der bisher älteste Teilnehmer einer Eigentümerversammlung als Einmannversammlung mit Videokonferenzunterstützung war 91 Jahre alt. Sein Wunsch: Nächstes Jahr wieder virtuell! Klasse! Gut, dass das neue WEG uns entsprechende Möglichkeiten bieten wird.
Digitale Belegprüfung
Die Durchführung von virtuellen Belegprüfungen möchte ich nicht näher ausführen. Interessant zu erwähnen ist jedoch, dass unsere Kunden die Möglichkeiten der digitalen Prüfung dankend annehmen und – gefühlt – wegen der großen Transparenz, immerhin haben sie ja nun sämtliche Belege auf dem eigenen Rechner, weniger prüfen als vorher.
Nebenher wurde das Projekt „Wir suchen ein neues Callcenter“ mit einer höheren Priorität versehen. Ziel sollte es sein, das eigene Frontoffice bezüglich des immer schon hohen Anrufaufkommens zu entlasten. Die Anforderung war klar: Wir brauchen ein Callcenter, welches so arbeitet, wie unsere Kunden es gewohnt sind und wir es leben. Der Anrufer wird bereits anhand seiner Rufnummer erkannt, der Grund des letzten Kontakts ist dann ebenfalls bereits bekannt. Weiterhin soll ein Callcenter nicht nur wie ein Anrufbeantworter reagieren, sondern Kundenwünsche und Meldungen erfassen und direkt in unser Ticketsystem erfassen. Geht nicht? Geht doch!
PropTechs unterstützen die Digitalisierung
An dieser Stelle muss ich meine im Rahmen meines Artikels im BVI-Magazin 03/2017 geübte Kritik deutlich revidieren: Ich hatte seinerzeit insbesondere ERP-Hersteller dafür gescholten, ihre (mit unseren Daten gefüllten) Datenbanken regelrecht von der Außenwelt abzuschirmen. Inzwischen hat ein deutliches Umdenken stattgefunden. Am Beispiel Karthago (UTS) kann ich feststellen, dass diese nun tatsächlich mit verschiedenen PropTechs in engem Kontakt stehen und bereits in Planung hinsichtlich bidirektionalem Datentausch stehen. Dies passt auch wunderbar zu unserem Callcenter-Projekt: Die Stammdaten aus Karthago werden facilioo, unserem Prozessmanagement und Portal-Tool, zur Verfügung gestellt. Nun stellt facilioo unserem Callcenter-Anbieter eine Datenschnittstelle (API) zur Verfügung, über welche die benötigten Datenströme, ermöglicht und gesteuert werden. Ich bin begeistert von dem Engagement der Prozessbeteiligten. Leider kann ich zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses für diesen Beitrag keine Praxiserfahrungen beisteuern. Dies hole ich nach, versprochen.
Kunden chatten mit ihrem Verwalter
In wenigen Tagen wird nun auch unsere DSGVO-konforme Firmen-WhatsApp-Nummer an den Start gehen. Kunden werden mit uns chatten können! Für den Chat ist eine Maschine, ein Chatbot, vorgeschaltet, der die Kommunikation professionell in die richtige Richtung lenkt. So haben Kunden die Möglichkeit, Schadensmeldungen auch außerhalb von Kunden-Apps oder E-Mail an uns zu richten und dies über Apps, die ohnehin (fast) jeder auf seinem Smartphone installiert hat. Die Identifizierung erfolgt wiederum über die Handynummer des Kunden. Über dieses Tool können auch Ablesewerte übermittelt sowie Dokumente, wie Abrechnungen usw. angefordert und auch versendet werden. Auch werden die Kunden über jeweilige Vorgangsstadien auf dem Laufenden gehalten.
Jetzt fehlt nur noch die Anbindung unseres DMS an facilioo – auch dieses Projekt ist bereits gestartet. Nach Fertigstellung werden sämtliche dafür freigegeben Unterlagen (Teilungserklärungen, Energieausweise, Abrechnungen, etc.) unseren Kunden im Kundenportal und WhatsApp zur Verfügung stehen – ohne weiteres personelles Zutun. Unglaublich, wie all diese Projekte in den letzten zwei Monaten Fahrt aufgenommen haben und wie Corona unsere eigene Digitalisierung vorangetrieben hat!
Als kurzes Fazit muss ich sagen, dass sich unsere Verwalterwelt in diesen rund zwei Monaten des Corona-Lockdowns noch viel schneller als erwartet weitergedreht hat. Unsere Mitarbeiter sind digitalen Medien gegenüber aufgeschlossener, als ich es je zu hoffen gewagt hatte. Die kommenden Entwicklungen werden uns Verwaltern Möglichkeiten bieten, an die wir wohl nie gedacht haben. Wichtig ist nun mein Appell an Sie alle: Befassen Sie sich mit diesen neuen Möglichkeiten, verpassen Sie nicht den Anschluss!
Mark Zimni
Vorstandsmitglied BVI e.V.