Die 2020er Jahre sollten das Jahrzehnt der Umsetzung der Energie- und Mobilitätswende werden, so das Klimaschutzproramm der Bundesregierung. Eine der zentralen Maßnahmen auf dem Weg dorthin ist der Aufbau von Lade- und Leitungsinfrastruktur für Elektromobilität in Gebäuden. Laut Entwurf des Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetzes (GEIG) müssen künftig neu gebaute oder renovierte Wohn- und Nichtwohngebäude zumindest mit einer Leitungsinfrastruktur für Elektromobilität ausgestattet werden.
Die Immobilienwirtschaft als CO2-Spitzenreiter
In Deutschland verursachen Gebäude etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen und die Stromerzeugung ist Ausstoß-Spitzenreiter. Der Verkehr und hier insbesondere Autoabgase betragen ca. ein Fünftel der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland[1]. Die Immobilienwirtschaft ist damit einer der Key-Player zum Erreichen der Klimaziele. Obwohl im Punkt Ladesäulen in Wohnanlagen der Gebäude- und der Verkehrssektor aufeinandertreffen, wird von der Immobilienwirtschaft und hier vor allem von Immobilienverwaltern erwartet, diese Aufgabe zu lösen – sie kann aber nicht alleine gemeistert werden.
Das Gebäude-Elektromobilitäts-Infrastruktur-Gesetz
Die Maßnahmen des GEIGs sollen laut Gesetzentwurf sowohl für Wohngebäude als auch Nicht-Wohngebäude, die über mehr als zehn Stellplätze verfügen, gelten. Dabei spielt es keine Rolle ob es sich um Außen- oder Innen-Stellplätze handelt. Der verpflichtende Einbau von Ladestationen oder zumindest die Ausstattung mit einer Leitungsinfrastruktur muss bei Neubauten sowie bei größeren Renovierungen (ab 25 Prozent der Gebäudehülle) vorgenommen werden. Eine Ausnahme besteht, wenn die Kosten für die Ladeinfrastruktur mehr als sieben Prozent der Kosten der Sanierungsmaßnahmen insgesamt ausmachen. Die Gefahr ist groß, dass sich Eigentümergemeinschaften gegen eine großflächige, aber vielleicht dringend notwendige Renovierung entscheiden, um nicht noch zusätzliche Kosten für eine Ladestation, für die es seitens der Eigentümer eventuell (noch) keinen Bedarf gibt, zahlen zu müssen. Eine der vielen offenen Fragen ist auch, ob die Strom-Mehrkosten zu Lasten des Mieters oder des Vermieters gehen werden. Das Diskussionsfeld um immer teurer werdende Mieten wird mit dem aktuellen Entwurf des GEIGs wohl eine weitere Komponente erhalten.
Das neue WEMoG und das GEIG
Bislang konnten einzelne Eigentümer den freiwilligen Einbau einer Ladestation verhindern. Mit dem geplanten Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) ist der Beschluss zum Einbau von Lademöglichkeiten schon mit einfacher Mehrheit möglich. Laut aktuellem Gesetzesentwurf dürfen jene Eigentümer, die dem Einbau einer Ladesäule nicht zugestimmt haben und die Kosten dafür auch nicht mittragen, keinen Nutzen aus ihr ziehen. Der Verwalter benötigt also eine genaue Dokumentation, welcher Eigentümer zugestimmt hat und welcher nicht. Da auch die künftige Erhaltung der neuen Infrastruktur dieser Kostentrennung unterliegt und er auch etwaige Nachzügler, die sich zu einem späteren Zeitpunkt noch an der Ladestation beteiligen, berücksichtigen muss, kommt auf Immobilienverwalter ein gewaltiger Mehraufwand zu. Potenzielle Nachzügler stellen zudem auch ein Problem bei der Berechnung der Wattmenge für die Ladestation dar: Diese wird an die Grenzen stoßen und muss im Bedarfsfall aufgestockt werden. Wer für diese Kosten aufkommen soll, ist noch nicht geklärt.
Technische Voraussetzungen
Die vorgeschriebene Leitungsinfrastruktur besteht erstmal „nur“ aus Leerrohren sowie Raum für Zähler und Netzerweiterung. Für diese können bereits bedeutende Umbaumaßnahmen anfallen, denn vor allem in älteren Gebäuden ist die vorhandene Technik nicht für die Zusatzbelastung des Stromnetzes ausgerichtet. In den allermeisten Fällen ist eine Netzerweiterung notwendig und die Beratung eines Fachmanns damit unumgänglich. Dieser muss ein intelligentes Lastenmanagement planen, um Energieengpässe im Haus zu vermeiden. Auch die nächstgelegene Trafostation muss über genügend Kapazitäten verfügen.
Es gibt zwei Arten von Ladesäulen: jene mit Wechselstrom, bei der das Laden etwas länger dauert, und jene mit Gleichstrom. Auch hier ist nicht nur eine Fachmannexpertise, sondern auch jene des Verwalters gefragt: Er muss einen Überblick über die durchschnittliche Verweildauer der Fahrzeuge auf einem Stellplatz erstellen, um die effektivste Lösung für den Ladevorgang zu finden. Auch hier stellt die Möglichkeit der Eigentümer zu Nachzüglern zu werden eine zusätzliche Herausforderung für Immobilienverwalter dar.
Sackgasse Finanzierung
Sanierungen sind bekanntermaßen ein großes Leidensthema für Immobilienverwalter. Denn der vom Verwalter beobachtete und geäußerte Bedarf für eine Sanierungsmaßnahme trifft nur selten auf offene Ohren und vor allem zahlungswillige Eigentümer. Im Idealfall verfügt der Immobilienverwalter über ein beschlossenes Budget für Sanierungen. Dieses ist jedoch auch in den besten Fällen knapp bemessen und deckt keine Ausgaben, die zusätzlich zu einer notwendigen Sanierung anfallen. Zudem ist eine steuerliche Abschreibung von Sanierungsmaßnahmen in vielen Fällen gar nicht bzw. nur über einen sehr langen Zeitraum möglich. Das hält Eigentümer oftmals von der Durchführung ab. Der Verwalter wird auf die Herausforderung stoßen, genügend Budget einzusammeln, um den Einbau einer Ladeinfrastruktur nicht auf Kosten von anderen energetischen Sanierungen zu veranlassen.
Dichter Förderdschungel
Abhilfe für das Finanzierungsproblem könnte ein ausgereiftes Förderungsprogramm schaffen. Bundesweit wird Ladeinfrastruktur vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert, jedoch ausschließlich im Zusammenhang mit einer beantragten Fahrzeugförderung für straßengebundene Elektrofahrzeuge. Das KfW-Förderprogramm „Energieeffizient Sanieren“ beinhaltet den Einbau von Ladestationen, allerdings nur im Rahmen eines größeren Sanierungsprojekts, wie zum Beispiel einer Wärmedämmung. Auf Nachfrage verweist die KfW für alternative Fördermöglichkeiten auf regionale Unterstützung. Nordrhein-Westfalen ist mit seinem Förderprogramm progres.nrw hier Vorreiter, aber auch lokale Strombetreiber haben sich mit dem Thema Förderung der E-Mobilität bereits befasst.
Zahlreiche Stadtwerke bieten sogenannte Gestattungsverträge: Die Stromanbieter installieren – oftmals verbunden mit einer ausführlichen Beratung – die Infrastruktur auf eigene Kosten, tragen das wirtschaftliche Risiko und vermieten die Ladestationen an Eigentümer oder Mieter.
Einen guten Überblick über die regionalen Förderungsanbieter findet man beim ADAC unter: https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/elektromobilitaet/kaufen/foerderung-elektroautos/
Für damit zusammenhängende, bauliche Veränderungen, z.B. aufgrund einer notwendigen Netzwerkerweiterung, müssen dennoch, nach aktuellem Stand, die Eigentümer aufkommen.
Was können Verwalter jetzt schon tun?
Immobilienverwalter sollten schon frühzeitig ihre Eigentümer über das GEIG und die zu erwartenden Kosten informieren. Selbst wenn es keinen aktuellen Wunsch der Eigentümer nach einem Einbau von Wallboxen gibt, kommt das Thema spätestens bei der nächsten größeren Renovierung auf sie zu. Bestenfalls werden bereits jetzt Rücklagen angelegt, die idealerweise nicht aus dem Budget-Topf für energetische Sanierungen kommen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass eine Ladesäule bzw. eine vorhandene Ladeinfrastruktur auch eine Wertsteigerung der Immobilie bedeutet.
Es empfiehlt sich die Einschätzung eines externen Beraters einzuholen, um zunächst die Hauptfrage zu klären: Verkraftet das Stromnetz die zusätzliche Last? Erst wenn die technischen Fragen geklärt sind, kann eine realistische Einschätzung des Kostenaufwands erfolgen.
Dennoch: Der an sich begrüßenswerte und aus Klimasicht notwendige Ausbau der Elektromobilität darf und kann nicht allein auf den Schultern der Wohnungswirtschaft lasten, auch wenn Immobilienverwalter in diesem Prozess eine tragende Rolle einnehmen. Beim Thema Elektromobilität müssen auch die Verkehrspolitik und die Wirtschaftszweige Automobilindustrie, Batteriehersteller, Netzbetreiber, Stromversorger und nicht zuletzt die Städteplanung für die Vorbeugung von Flächenproblemen zusammenspielen, damit die für die 2020er Jahre beschworene Energie- und Mobilitätswende auch gelingen kann.
Verena Leonhardt
[1] Quelle: Umweltbundesamt