Herausforderung Videoüberwachung

– oder warum ein Fitnessstudio für die Gemeinschaft gut ist.

Es gibt viele Objekte, die mit Videokameras überwacht werden. Tiefgaragen, Hauseingänge, Müllräume, Keller, Außenbereiche bis hin zur Dachterrasse sind nicht selten 24 Stunden und 365 Tage im Jahr dauerüberwacht. Schließlich gilt es, Eigentum und Rechtsgüter vor Sachbeschädigung, Diebstahl und Vandalismus zu schützen und Täter zu überführen. Tatsächlich entstehen Eigentümergemeinschaften jährlich hohe Kosten für Renovierung, Wiederinstandsetzung und Ersatz des Gemeinschafts- und des Sondereigentums. Da liegt es nahe, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) beschließt, Videokameras an den neuralgischen Punkten zu installieren und fortan eine dauerhafte Überwachung zu betreiben. Dumm nur, dass bei einer Videoüberwachung fast jeder von den Kameras erfasst wird, der den Aufnahmebereich betritt und durchquert. Und in den seltensten Fällen sind es Täter. Und wenn ein Täter tatsächlich auf Video festgehalten wurde, dann wird eine Identifizierung fast unmöglich sein, weil vorgeschriebene Hinweisschilder dem Täter bereits vorher seine vollständige Verkleidung empfohlen haben. Im Klartext: Die Aufklärungsquote für etwaige Vergehen, die mit einer Videoüberwachung festgehalten wurden, dürfte sich im einstelligen Bereich bewegen. Hingegen erfasst jede Videoüberwachung primär Unbescholtene. Und genau hier wird es für die GdWE problematisch.

Nicht der Datenschutz ist an allem schuld

Es ist nicht der Datenschutz, es ist das Recht am eigenen Bild, das Persönlichkeitsrecht, das in der Regel eine Videoüberwachung berührt. Jeder Betroffene hat das Recht, frei zu entscheiden, wie mit Aufzeichnungen von sich umgegangen wird. Und diese freie Entscheidung ist bei einer Videoüberwachung kaum umsetzbar. Vor allem verfolgt die GdWE mit der Videoüberwachung ihr eigenes berechtigtes Interesse, die eigenen Rechtsgüter vor Beschädigung usw. zu schützen und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Das Recht, nicht gegen seinen Willen von einer Videoüberwachung erfasst zu werden, findet damit kaum Beachtung. Und da Gebäude im Allgemeinen nicht nur von Eigentümern, Mietern und Nutzern betreten werden, sondern auch von Lieferanten, Besuchern usw., ist es fast unmöglich, von jedem ein Einverständnis zur Aufnahme zu erhalten.

Fitnessstudio und GdWE. Ein hinkender Vergleich?

Wie schwer eine Videoüberwachung zu betreiben ist, zeigt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. Februar 2022 (AN 14 K 20.00083). Einem Fitnessstudio waren in der Vergangenheit durch Diebstähle und Sachbeschädigungen jährliche Kosten von bis zu 15.000 Euro entstanden. Versuche, durch Diebstahlsicherungen das Entwenden von Gegenständen zu unterbinden, hatten keinen Erfolg, und ein Einsatz von Kameraattrappen hatte nur einen kurzfristigen Effekt, weil sich bei den Kunden herumgesprochen hatte, dass es sich nur um Attrappen handelte. Deshalb sah das Fitnessstudio die Videoüberwachung als letztes probates Mittel an und installierte zur Überwachung des Trainingsbereichs mehrere Videokameras. Eine entsprechende datenschutzkonforme Beschilderung war an allen Eingangsbereichen gut sichtbar angebracht. Datenschutzkonform wurden die Videoaufzeichnungen nach 48 Stunden gelöscht. Die Videoüberwachung diente hauptsächlich zur Aufklärung etwaiger Straftaten, wobei die Aufklärungsquote dem Fitnessstudio zufolge bei fast 100 Prozent lag, ohne Videoüberwachung dagegen bei etwa null Prozent. Zudem seien seit der Videoüberwachung sexuelle Übergriffe auf Kundinnen nicht mehr zu verzeichnen. Der Einsatz milderer Mittel wie Kameraattrappen und Diebstahlsicherungen hatte also keinen Erfolg gebracht; die Aufklärungsquote dank der Videoüberwachung war dagegen unerreicht hoch, die Vorfälle messbar rückläufig. Damit war eine der wichtigsten Voraussetzungen zum Betrieb einer Videoüberwachung erfüllt: der Nachweis, dass vorherige Bemühungen keinen Erfolg brachten und die Videoüberwachung die einzige und letzte Lösung ist.

Die Bringschuld des Betreibers

Jedoch beschwerte sich eine Kundin bei der Aufsichtsbehörde, die daraufhin das Fitnessstudio aufforderte, etwaige Rechtsgrundlagen für den Betrieb sowie eine entsprechende Dokumentation vorzulegen. Die überlieferten Dokumente überzeugten die Behörde nicht und sie untersagte die Videoüberwachung. Dagegen klagte vor dem zuständigen Verwaltungsgericht das Fitnessstudio in der Meinung, es treffe – aufgrund des Vertragsverhältnisses mit den Kunden – eine Nebenpflicht. Diese Nebenpflicht bestehe hauptsächlich darin, für die Sicherheit der Trainierenden zu sorgen. Außerdem würden die Kunden über die Video-Hinweisschilder und die AGBs auf die Überwachung hingewiesen und hätten damit ihr Einverständnis zur Videoüberwachung erklärt. Das Gericht wies die Klage ab und durchleuchtete dabei fast schulbuchartig alle datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen.

Die Rechtsgrundlagen

Ein Hinweisschild ersetzt keine Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO). Es fehlt regelmäßig eine „eindeutige bestätigende Handlung“, die die DSGVO als wirksame Voraussetzung vorsieht. Demnach stellt ein Gebäude zu betreten, trotz Hinweis auf Videoüberwachung, keine Einwilligung dar.

Auch auf die Nebenpflichten, die zum Beispiel aus vertraglichen Pflichten (Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO) des Fitnessstudios abgeleitet werden, kann sich der Betrieb der Videoüberwachung nicht stützen. Diese Schutzpflicht ist nach Ansicht des Gerichts nicht nachvollziehbar – schon gar nicht über eine Videoüberwachung, denn sie entspricht nicht der „herrschenden Verkehrsanschauung im Fitnessstudiobetrieb“, urteilten die Richter in Ansbach. Bleibt am Ende nur noch das „berechtigte Interesse“ (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO). Das ist neben der Einwilligung die einzige Rechtsgrundlage, mit der ein Verantwortlicher eine Videoüberwachung zulässig betreiben kann. Voraussetzung dafür ist, dass der Betreiber schlüssig begründen kann, weshalb eine Videoüberwachung erforderlich ist, also ein „begründbares Interesse“ vorweisen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 – 6 C 2/18 – Rn. 25). Denn das Gericht selbst bejaht in seinem Urteil die Erforderlichkeit der Videoüberwachung, „da jedenfalls für die Aufklärung von Diebstählen kein anderes, gleich effektives Mittel ersichtlich ist“ (vgl. Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DSGVO BDSG, Art. 6 DSGVO, Rn. 147a).

Überwiegende Interessen

Doch nach dem Urteil des Gerichts überwiegen die Interessen der Trainierenden. Denn eine durchgehende Videoüberwachung stelle einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte aller Trainierenden dar. Es fehlt eine Ausweichmöglichkeit, denn es ist nicht möglich, sich der Videoüberwachung zu entziehen. Und grundsätzlich muss jeder, der fürs Training ein Fitnessstudio besucht, nicht mit einer Videoüberwachung in diesem Umfang rechnen. Denn bei der Freizeitgestaltung und der verhältnismäßig geringen Gefahrenlage – es sind stets mehrere Personen anwesend –, kann ein Betroffener annehmen, dass mit der Verarbeitung seiner Daten, also einer Videoaufzeichnung, vernünftigerweise nicht zu rechnen ist.

Bagatellschäden ein unternehmerisches Risiko?

Besonders hervorzuheben ist, dass das Gericht die entstandenen Schäden nicht im Sinne des Betreibers
gewichtet: Weil das Fitnessstudio Einnahmen von ca. 200.000 Euro jährlich erzielt, sind die Richter der Meinung, dass sich die Kosten von 15.000 Euro für Sach-
beschädigung im Rahmen halten und dies somit „in keinem Verhältnis zu einer lückenlosen Videoüberwachung der Trainierenden steht“. Auch Diebstähle gehören zum unternehmerischen Risiko, sodass jegliche finanziellen Risiken eben nicht auf Kosten der informationellen Selbstbestimmung der Kunden gehen dürfen.

Kein hinkender Vergleich

In einem Fitnessstudio halten sich Trainierende grundsätzlich längere Zeit auf. Das heißt, die Beobachtung durch eine Videokamera ist viel umfangreicher als beispielsweise die Überwachung in der Tiefgarage. Und hier ist die Parallele zu einer Videoüberwachung in einem Wohnobjekt. Schmierereien an Hauswänden gehören zu einem gewissen „Betriebsrisiko“ und rechtfertigen keinesfalls eine Videoüberwachung. Auch wiederholte Sachbeschädigung genügt nicht. Es kommt – wenn man in dem Ansbacher Urteil zwischen den Zeilen liest – auf die Häufigkeit, die Schwere und die Kosten an, will man eine Videoüberwachung erwägen. Denn sie erfasst einfach zu viele Unbeteiligte. Und das macht deren Einsatz fast unmöglich.

Fazit

Dennoch kann eine GdWE – unter Berücksichtigung aller gesetzlichen Anforderungen und unter Hinzuziehung eines beratenden Datenschutzbeauftragten – durchaus eine Videoüberwachung betreiben. Wenn ein rechtsgültiger und umfangreicher Beschluss gefasst wird, ein aussagekräftiges und gut strukturiertes Betriebskonzept und am Ende eine umfangreiche und aussagekräftige Dokumentation erstellt und jährlich aktualisiert wird, ist eine Videoüberwachung durchaus machbar. Nach dem Prinzip: Wer vorher alle Anforderungen und Pflichten berücksichtigt, wird hinterher wohl nicht mit einem Bußgeld rechnen müssen.

Reinhold Okon
dsb-okon.de

Reinhold Okon ist zertifizierter Datenschutzbeauftragter (TÜV Süd) und hat sich seit Jahren auf den Datenschutz in der Haus- und Immobilienverwaltung spezialisiert.

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