Verwalterpraxis A-Z

I wie Instandhaltung und Instandsetzung

Wie viele Angebote muss der Verwalter eigentlich einholen?

Situation

Die Eigentümerversammlung der WEG Littenstraße 10 steht an. Tagesordnungspunkt 15 beschäftigt sich mit der Instandsetzung einer undichten Kellerwand. Die Verwaltung hatte im Vorfeld der Eigentümerversammlung acht Handwerker zur Angebotsabgabe angefragt, letztlich aber nur zwei Angebote (Anbieter 1: 7.500 Euro / Anbieter 2: 1.999 Euro) erhalten, die im Wesentlichen nicht vergleichbar sind (z. B. Unterscheidung in Material und der Art und Weise der Abdichtungsmaßnahme). Nach ausführlicher Erörterung wird die Verwaltung bevollmächtigt, den Anbieter 1 mit der Ausführung der Abdichtungsmaßnahme zum Pauschalpreis von 1.999 Euro zu beauftragen. Eigentümer Schlau erhebt Anfechtungsklage, da seiner Meinung nach drei Angebote eingeholt und diese Angebote auch vergleichbar sein müssen. Hat Herr Schlau recht?

Rechtlicher Hintergrund

Das Wohnungseigentumsgesetz enthält keine konkrete Regelung, in welcher Form und wie viele Angebote für eine Instandhaltung und Instandsetzungsmaßnahme eingeholt und den Eigentümern vorgelegt werden müssen. Das bedeutet, dass sich entsprechende Beschlüsse an den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung messen lassen müssen.
Was das ist, ist auch nicht immer klar und so prägt die Rechtsprechung die praktische Arbeit der Verwaltungen. Es gehört mittlerweile zu den ungeschriebenen gesetzlichen Pflichten (siehe WEG; Hügel/Elzer, WEG § 26 Rn. 36, beck-online), dass die überwiegend ergangene Rechtsprechung mindestens drei (Vergleichs-)Angebote verlangt, wobei anzumerken ist, dass in den überwiegend verhandelten Fällen von „größeren Aufträgen“ die Rede war.
Es gibt allerdings auch Gerichte, welche die Meinung vertreten, dass ein Angebot eingeholt werden kann, wenn ein gewisser Schwellenwert (LG Dortmund ZWE 2017, 96 und 2015, 374: 5.000 Euro; LG Karlsruhe ZWE 2013, 417: 3.000 Euro) nicht überschritten wird.

Werden die erforderlichen Grundlagen zur ordnungsgemäßen Beschlussfassung nicht geschaffen (wie z. B. es liegen keine oder weniger als drei Angebote vor; die Angebote sind nicht aussagekräftig und vergleichbar), erfolgt die Auswahl des Anbieters auf der Grundlage fehlerhafter Tatsachengrundlagen und wäre damit anfechtbar.

Lösung zur Situation

In Hinblick auf die vorgenannte Rechtsprechung wird Herr Schlau mit seiner Anfechtungsklage vermutlich Erfolg haben, insbesondere weil nur zwei Angebote vorlagen und die Angebote von der Art der Ausführung und dem Angebotspreis nicht verglichen werden können.

Ob die o. g. Schwellenwerte tatsächlich von anderen Gerichten akzeptiert werden, muss beobachtet werden. Aus persönlicher Sicht ist die Rechtsprechung praxisfremd, weil es oftmals nicht möglich ist, die entsprechende Anzahl der Vergleichsangebote einzuholen. Viele Handwerker sind stark ausgelastet und häufig werden durch Handwerker keine Angebote mehr abgegeben, weil Eigentümergemeinschaften sich letztlich entscheiden, gar keine Maßnahme auszuführen. Somit „wandert“ eine große Anzahl von Angeboten „in den Papierkorb“. In vielen Fällen reicht der Mehrzahl der Eigentümer auch ein bis zwei Angebote, denn oftmals greift man auf Handwerker zurück, die immer zur Zufriedenheit für die Eigentümergemeinschaft gearbeitet haben.

Hinweis:

In seiner Entscheidung vom 20. November 2015 hat der BGH (V ZR 284/14) darauf hingewiesen:
„Der Verwalter ist gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG verpflichtet, den Beschluss umzusetzen, indem er Vergleichsangebote einholt, diese prüft und den Auftrag erteilt. Er ist zwar in aller Regel gehalten, den günstigsten Anbieter zu wählen; auch können ihm die Wohnungseigentümer eine dahingehende Weisung erteilen. Zwingend ist dies jedoch nicht. Es kann im Einzelfall triftige Gründe dafür geben, einen teureren Anbieter zu beauftragen (vgl. BayObLG WE 1995, 287 f.; AG München ZMR 2012, 739 f.; so für die Auswahl des Verwalters Senat, Urteil vom 22. Juni 2012 - V ZR 190/11, NZM 2012, 654 Rn. 11; Urteil vom 27. Februar 2015 - V ZR 114/14, NJW 2015, 1378 Rn. 10).“

Beispiele aus der Rechtsprechung:

LG Hamburg, Urteil vom 18.01.2012, Az. 318 S 164/11 (ZMR 2012, 388)
Ein Beschluss über die Vergabe (größerer) Instandsetzungsmaßnahmen entspricht in der Regel nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn der Verwalter vorher mehrere, schriftliche Alternativ- und Konkurrenzangebote eingeholt hat.

LG Karlsruhe, Beschluss v. 8. 8. 2013 − 11 T 355/12 (ZWE 2013, 417)
Ein Beschluss über die Vergabe von (größeren) Aufträgen zur Durchführung von Instandsetzungs- oder Instandhaltungsarbeiten verstößt regelmäßig gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn nicht zuvor mehrere (mindestens drei) Vergleichsangebote eingeholt worden sind. Bei Gesamtkosten von 3.000 EUR ist die Bagatellgrenze überschritten, auch wenn es sich um diverse Einzelaufträge handelt, für die für sich betrachtet nicht zwingend Alternativangebote einzuholen sind.

Massimo Füllbeck
mfuellbeck@hotmail.com

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