Interview mit Bernhard Daldrup MdB (SPD)

BVI-Magazin: Die Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hat es sich zum Ziel gesetzt, dass künftig wesentlich mehr Wohnraum neu gebaut wird. Auch der soziale Wohnungsbau inklusive der sozialen Eigenheimförderung soll verstärkt werden. Was hat sich die Koalition konkret vorgenommen?

Bernhard Daldrup: Sehr viel und das vor folgendem Hintergrund: Die Wohnungsmärkte entwickeln sich regional sehr unterschiedlich. In Ballungszentren, Groß- und Universitätsstädten ist die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ungebrochen. Wohnungen sind knapp, Mieten und Immobilienpreise sind deutlich höher als in eher ländlichen Regionen.

Die Wohnkostenbelastungsquote, also der Anteil der Wohnkosten – einschließlich Wasser- und Abwasser-, Energie- und Heizkosten, Ausgaben für die Instandhaltung – am verfügbaren Haushaltseinkommen, befindet sich auf hohem Niveau. Der Anteil der Bevölkerung in Haushalten, die mehr als 40 Prozent ihres verfügbaren Haushaltseinkommens für das Wohnen ausgeben, ist zu hoch und stagniert in den Zentren. Die Ampel-Koalition will diese Entwicklung verändern. Angefangen von einem selbständigen Bauministerium, das nicht wie zuletzt als Abteilung im Innenministerium wahrgenommen wird, bis zum Versprechen, jährlich bis zu 400.000 Wohnungen zu bauen, reicht die Palette.

Mehr als die Hälfte der knapp 41 Millionen Wohnungen sind in Deutschland Mietwohnungen. Besonders für Haushalte mit geringem Einkommen ist die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung nicht selten ein Spießrutenlauf. Angemessener Wohnraum wurde für diese Gruppe ein unerreichbarer Luxus. Die Antwort auf die Wohnungsfrage darf nicht zum Spaltpilz in der Gesellschaft werden. Mit dem Ziel, 400.000 neue Wohnungen jährlich neu zu bauen, geben wir erstens eine quantitative Antwort. Mit dem Ziel, darunter 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen zu schaffen, zweitens eine soziale Antwort.

Drittens soll mit einer neuen Wohngemeinnützigkeit, 
also steuerlicher Förderung und Investitionszulagen, die 
Initiative unternehmerisch unterstützt werden. Viertens kommt ein Bündel von Maßnahmen zur erhöhten Effizienz hinzu: serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung sollen die Kosten für den Wohnungsbau senken und die Umsetzung beschleunigen.

Fünftens wollen wir die Kommunen stärken, um die Schaffung von Baurecht zu erleichtern, ihnen unter die Arme greifen, um Vorkaufsrechte wirklich geltend zu machen und ihre Investitionstätigkeit zu erhöhen. Auch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) soll die Kommunen unterstützen und selbst mehr Freiheiten für Investments im Wohnungsbau und der Stadtentwicklung erhalten. Integraler Bestandteil der Maßnahmen sind klimapolitische Ziele, und zwar sowohl im Neubau als auch im Bestand, also die energetische Sanierung, die eine eminent wichtige Rolle spielen wird.

BVI-Magazin: Welche Erwartungen haben Sie an das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ künftig?

Bernhard Daldrup: Zunächst eine einfache Erkenntnis: Wohnungsbau, der diesen Zielen verpflichtet ist, kann nur gemeinsam gelingen. Das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ braucht die wohnungs- und baupolitischen Akteure, um den wachsenden Wohnungsbedarf zu decken und die sozialen, demografischen und energetischen Herausforderungen zu bewältigen. Mit einem ähnlichen Ansatz konnte Bundeskanzler Olaf Scholz bereits als Erster Bürgermeister von Hamburg große Erfolge erzielen.

BVI-Magazin: Der Schutz von Mietenden vor überhöhten Mieten war eines der wichtigen Themen der SPD im zurückliegenden Bundestags-Wahlkampf. Was dürfen Mietende von der neuen Koalition erwarten?

Bernhard Daldrup: Das, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Geltende Mieterschutzregelungen werden verlängert. Die Mietpreisbremse wird bis 2029 fortgeführt. Für angespannte Wohnungsmärkte sinkt die Kappungsgrenze von bisher 15 auf elf Prozent in drei Jahren. Für Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern werden qualifizierte Mietspiegel verpflichtend. Zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten sieben Jahre herangezogen werden. Angekündigt wird zudem ein Aktionsplan, um Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden.

Auch das Baugesetzbuch wird ein Thema sein. Wir müssen zusätzliche Bauflächen mobilisieren, Planungs- und 
Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen sowie die Digitalisierung der Bauleitplan- und Baugenehmigungsverfahren tatsächlich schaffen.

Mitten in die Koalitionsverhandlungen platzte eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum kommunalen Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten. Damit ist fraglich, ob Gemeinden es weiterhin einsetzen können, um Mieter vor möglicher Verdrängung zu schützen. Innerhalb der Ampel-Koalition wird der gesetzgeberische Handlungsbedarf geprüft, damit die Kommunen das Vorkaufsrecht wirksam nutzen können.

BVI-Magazin: Was wird die Ampel-Koalition unternehmen, um den Rückstau bei der energetischen Sanierung im Gebäudebestand aufzulösen?

Bernhard Daldrup: Es gibt mehrere Gründe für die Senkung des Energieverbrauchs. Über die Begrenzung des Klimawandels hinaus erleben wir aktuell eine Preisexplosion bei den Energiekosten, die kaum auf den CO2-Preis zurückzuführen ist. Beides – die Erhöhung der Effizienz und die Senkung der Treibhausgasemissionen (THG) – muss die Wohnungspolitik im Blick haben. Eine breit angelegte energetische Sanierung des Bestands führt zu den höchsten THG-Einsparungen, denn ältere Gebäude haben eine geringe Energieeffizienz. Energetische Gebäudesanierung im Bestand zahlt sich für die Bewohner aus. Die Entwicklung der Kaltmiete zur Warmmiete ist ein wichtiger Schritt, um das Kostenbewusstsein für Energieeffizienz bei Mietern und Vermietern zu stärken. Wir müssen die Sanierungsquote von derzeit unter einem Prozent pro Jahr deutlich steigern. Hierfür braucht es Fachkräfte, Investitionspakete und Baumaterialien. Besonders den Fachkräftemangel können wir nur gemeinsam mit der Branche und einem attraktiven Angebot an Arbeitnehmern meistern.

BVI e. V.
bvi-verwalter.de

 

Bernhard Daldrup
Mitglied des Deutschen Bundestages

INFORMATION


Bernhard Daldrup, MdB, ist seit 2000 Mitglied im Landesvorstand der SPD Nordrhein-Westfalen.

Er ist kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen.

Zudem ist er seit 2018 Obmann für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen der SPD-Bundestagsfraktion.

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