Interview mit Bernhard Herrmann MdB

Die Energiepreise schießen in die Höhe und treiben viele Verbraucherinnen und Verbraucher in die Not. Das BVI-Magazin hat sich dazu mit Bernhard Herrmann MdB von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen über die Ursachen ausgetauscht und nachgefragt, welche Lösungen die Grünen für diese Situation sehen.

BVI-Magazin: Viele Wohnungseigentümer klagen über Energiepreise auf Rekordniveau. Warum steigen die Energiepreise zurzeit?

Bernhard Herrmann: Die steigenden Energiepreise sind eine Herausforderung für viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Das gilt für Eigentümer genauso wie für Mieter, aber natürlich auch für Unternehmen. Sprechen wir über die Gründe für steigende Energiepreise, gilt es allem voran zu benennen, dass wir uns ganz klar in einer fossilen Versorgungskrise befinden. Das galt bereits vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und hat sich seitdem weiter verschärft. Deutschland bezieht ca. 50 Prozent seines Gasverbrauchs aus russischen Importen. Etwa ein Drittel deutscher Rohölimporte stammt aus Russland. Unsere noch zu starke Abhängigkeit von fossilen Energieträgern ist verantwortlich für unsere Betroffenheit von den aktuellen Preisexplosionen. Der Krieg hat die angespannte Preissituation nur zusätzlich befeuert. Bereits vor dem Ukraine-Krieg war die Lage auf dem Gasmarkt kritisch und das Spekulieren bei Preisen enorm.

BVI-Magazin: Was ist zu tun, damit Energie für private Verbraucherinnen und Verbraucher bezahlbar bleibt?

Bernhard Herrmann: Im Grunde sind die Pläne und Maßnahmenpakete, mit dessen Umsetzung das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bereits vor Beginn des Ukraine-Kriegs begonnen hatte, aktueller und drängender denn je geworden. Hier gilt es bei allen Prozessen auf Beschleunigung zu setzen, damit wir unsere Ziele schneller erreichen und unserer Abhängigkeit von teuren fossilen Energieträgern endlich ein Ende bereiten. Der Aus.bau der erneuerbaren Energien ist hier ganz klar der entscheidende Schlüssel. Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz packt den Ausbau bereits aktiv an. Derzeit bereitet die Bundesregierung im Akkordtempo die nächste EEG-Novelle vor. Geplant ist ein Solarbeschleunigungspaket. Die notwendigen Flächen für Windenergie an Land sollen zügig erschlossen und der Anteil von Erneuerbaren im Wärmebereich erhöht werden. Mit einem stetig wachsen.den Anteil an erneuerbaren Energien sorgen wir immer mehr für eine sichere, saubere und vor allem bezahlbare Stromversorgung. Auf kurze Sicht gilt es zunächst einmal diejenigen angemessen zu unterstützen, die von den Energiepreisen besonders stark betroffen sind. Das sind vor allem Menschen mit kleinerem Einkommen wie Empfänger von Wohngeld, Auszubildende oder Studierende. Die neue Bundesregierung hat vor Kurzem erst den Heizkostenzuschuss auf den Weg gebracht und greift damit Betroffenen unter die Arme. Folgen sollen der Kindersofortzuschlag, die Abschaffung der EEG-Umlagekosten beim Strompreis sowie eine faire Beteiligung von Vermietern am CO2-Preis. Aufgrund der besonders angespannten Preissituation werden weitere Entlastungsmaßnahmen unter Hochdruck vorbereitet. Das Verbot kurzfristiger Kündigungen und gleiche Tarife für Neu- wie Bestandskundschaft in der Energieversorgung stärken den Verbraucherschutz. Zudem stellen wir uns steigenden Preisen auch damit entgegen, dass wir unsere Versorgungssicherheit mit Energie im Blick behalten. Dazu werden wir unsere Gasimporte so schnell wie möglich diversifizieren müssen. Ein neues Gesetz ist bereits auf dem Weg, das für einen ausreichenden Füllstand der Gasspeicheranlagen bis zur nächsten Heizperiode sorgt. Und wir werden den Fokus sehr stark auf die Anhebung der Energieeffizienzpotenziale im Gebäudebereich und in der Industrie legen müssen.

BVI-Magazin: Über die Sanierung von Bestandsgebäuden resultieren erhebliche Energieeinsparpotenziale. Nach wie vor ist die Sanierungsquote in Deutschland jedoch niedrig. Was wird die Ampel-Koalition im Bund unternehmen, um die Potenziale der Gebäudesanierung für das Erreichen der Klimaziele zu nutzen?

Bernhard Herrmann: Mit unserer Abhängigkeit von russischen Gasimporten wird unter der gegebenen weltpolitischen Situation der enorme Handlungsdruck insbesondere im Gebäudebereich deutlich. Die Hälfte des nationalen Gasverbrauchs fällt in Gebäuden an. Gleichzeitig wissen wir, dass im Gebäudebereich enorme Einsparpotenziale beim Energieverbrauch erreicht werden können. Etwa zwei Drittel aller Wohngebäude wurden vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1979 errichtet. Sie sind oft schlecht gedämmt und verbrauchen bis zu fünfmal mehr Energie als Neubauten. Energetische Modernisierung im Bestand ist aufwendig, aber notwendig. Deshalb packen wir auch die energetische Modernisierung in dieser Legislaturperiode endlich an. Schon ab 2023 legen wir ein neues Förderprogramm zum klimafreundlichen Modernisieren und Bauen auf. Die Eigenenergieerzeugung am Haus werden wir unkompliziert und wirtschaftlich attraktiv gestalten. Auch beim Gebäudeenergiegesetz sind weitreichende Änderungen vorgesehen. So soll jede ab 2025 neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden. Ab 2024 wird das Niveau für Ausbau, Umbau und Erweiterungen von Bestandsgebäuden auf EH 70 erhöht. Die Neubau-Standards werden ab 2025 an den KfW-EH 40 angeglichen. Wir werden mit der Wohnungswirtschaft die begonnene Innovationspartnerschaft wieder aufgreifen und den Quartiersansatz und die Innovationsklausel fortschreiben. Die alte Bundesregierung hat die Wärmewende verschlafen. Das fällt uns in der gegenwärtigen Situation stark auf die Füße. Wir stehen jetzt besonders unter Zeitdruck und werden weitere Sanierungspakete und Effizienzmaßnahmen prüfen müssen. Klar ist: Alles muss und wird noch schneller als zuvor gehen.

Stand: 17. März 2022
BVI e. V.
bvi-verwalter.de

Bernhard Herrmann

BERNHARD HERRMANN
Mitglied des Deutschen Bundestages

Information

BERNHARD HERRMANN, ist seit 2021 Mitglied im Deutschen Bundestag für Bündnis 90/Die Grünen. Er ist Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Ener.gie und in seiner Fraktion zuständig für die Themen der Gebäudeenergie, Mieterstrom und Bürgerenergie. Sein Wahlkreis ist das Chemnitzer Umland und das Erzgebirge.

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