Interview mit Jürgen Grützner, Geschäftsführer des VATM e. V.

Wir müssen endlich schneller für echtes Gigabit sorgen

Im Gespräch mit dem BVI-Magazin erklärt der Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e. V. (VATM), weshalb es jetzt viel mehr Gigabit statt ein bisschen mehr Megabit geben sollte, warum das Glasfasernetz zukunftssicher ist und wieso es sinnvoll ist, sich jetzt um die Inhouse-Versorgung zu kümmern.

BVI-Magazin: Herr Grützner, sind Sie mit der Definition des schnellen Internets durch die Bundesnetzagentur und die Bundesregierung – 10 Megabit pro Sekunde im Download und 1,7 Megabit pro Sekunde im Upload – zufrieden?

Jürgen Grützner: Wir begrüßen die Einigung im Bundesrat auf die Mindestanforderungen eines Versorgungsanspruchs mit Telekommunikationsdiensten, die durch mehrere Gutachten von der Bundesnetzagentur ermittelt und gestützt wurden. Unser Ziel ist es, gerade für die am schlechtesten versorgten Haushalte in Deutschland nicht für ein paar mehr Megabit zu sorgen, sondern möglichst schnell auf Gigabit aufzurüsten.

BVI-Magazin: Wie sinnvoll ist es, eine solche Mindestanforderung zu definieren, die ohnehin die meisten Anschlüsse erfüllen?

Jürgen Grützner: Es geht hier um eine Grundversorgung für alle Haushalte. Mehrere Hunderttausend verfügen noch nicht über Anschlüsse mit 10 Mbit/s im Downstream. Aber wie gesagt: Wir setzen uns dafür ein, möglichst schnell eine zukunftssichere Gigabit-Versorgung zu erreichen. Genau hierfür gibt es die mit der EU abgestimmte Gigabit-Förderung. Diese sollte genutzt werden. Es liegt allein in der Hand der Kommunen, für viel mehr Gigabit statt ein bisschen mehr Megabit zu sorgen. Dort, wo es nicht sofort möglich ist, Glasfaser zu verlegen, sollte per Mobilfunk oder Satellit eine schnelle Digitalisierungshilfe für die Übergangszeit zur Verfügung gestellt werden. Wie in anderen Ländern und im Koalitionsvertrag ausdrücklich vorgesehen, sollten die Bürgerinnen und Bürger dabei mit einem Digitalisierungsvoucher unterstützt werden.

Wir müssen endlich einerseits ganz pragmatisch sofort helfen und andererseits schneller für echtes Gigabit sorgen. Soforthilfe funktioniert aber nur, wenn wir uns auf die wirklich unversorgten Anschlüsse konzentrieren können. Die Politik muss entscheiden, ob es schneller oder noch bürokratischer wird in Deutschland. Der Nutzen einer Voucherlösung für die noch schlecht versorgten Haushalte wäre enorm – das Warten auf ein nicht existierendes Umlagesystem wäre hingegen fatal.

BVI-Magazin: Der Koalitionsvertrag sieht die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser vor. Auch Sie setzen auf diese Technik. Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie, hohe Übertragungsgeschwindigkeiten zu erreichen?

Jürgen Grützner: Glasfaser ist die Festnetzinfrastruktur der Zukunft – mit sehr hohen und weiter wachsenden Übertragungsraten sowie immenser Verlässlichkeit. Hinzu kommt, dass sie deutlich energiesparender ist als Kupfer. Heutzutage bieten auch die DOCSIS-3.1-Anschlüsse der Kabelnetzbetreiber sehr gute Werte und Leistungen. Auch hier schreiten die Entwicklungen weiter voran und die nächste Steigerung steht bevor. Beim Mobilfunk wird ebenfalls schon an der nächsten Generation geforscht und getestet: 6G.

BVI-Magazin: Wozu braucht es noch die Verlegung teurer Leitungen für Festnetzanschlüsse, wenn demnächst ein flächendeckendes 5G-Funknetz zur Verfügung steht?

Jürgen Grützner: Hier geht es nicht um ein Entweder-oder. Wir brauchen beides: Festnetz und Mobilfunk. Ohne Glasfaserverbindungen wird es auch kein bundesweites 5G-Funknetz geben. Die Mobilfunkmasten werden via Glasfaser angebunden, um die entsprechende Performance zu liefern. Und bei aller großartigen Leistungsfähigkeit und den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von 5G wird das Glasfasernetz aufgrund der Gesetzmäßigkeiten der Physik dauerhafte Konstanz bieten können.

BVI-Magazin: Wie kann der Ausbau des Glasfasernetzes innerhalb von Gebäuden am besten finanziert werden?

Jürgen Grützner: Wie so oft muss bei der „besten“ Lösung auf die individuelle Ausgangssituation der Immobilie und des Eigentümers Rücksicht genommen werden. Es können unterschiedliche Wege für die Finanzierung eines Inhouse-Netzes zur Verfügung stehen und genutzt werden.

Zum einen kann der Vermieter/Eigentümer mit einem Telekommunikationsanbieter zusammenarbeiten, indem er ihn mit der Errichtung und dem Betrieb einer gebäudeinternen Netzinfrastruktur beauftragt.

Das Telekommunikationsgesetz sieht die Möglichkeit der Erhebung eines Glasfaserbereitstellungsentgelts vor. Das bedeutet, dass der Eigentümer einer Immobilie für die Neu-errichtung eines Inhouse-Netzes aus Glasfaser die Investitionskosten von bis zu 540 Euro pro Wohneinheit über einen Bereitstellungszeitraum von maximal neun Jahren an das Unternehmen zu zahlen hat, das das Inhouse-Netz errichtet hat. Diese Kosten kann er dann aber im Rahmen der Mietnebenkosten auf den Mieter umlegen.

Diese Regelung gilt jedoch nur, wenn das Glasfasernetz bis Ende 2027 errichtet ist. Es gilt zu bedenken, dass der Eigentümer oder Vermieter nach Ablauf des Bereitstellungszeitraums für den Betrieb der gebäudeinternen Netzinfrastruktur sowie die Gewährung des – kostenlosen – Zugangs anstelle des TK-Unternehmens verantwortlich ist. Natürlich kann man auch das Telekommunikationsunternehmen dafür vertraglich weiter verpflichten.

Alternativ kann das Inhouse-Glasfasernetz durch den Eigentümer in Eigenregie und auf eigene Kosten errichtet werden. Dann steht eine Refinanzierungsmöglichkeit über die Modernisierungsumlage nach § 556 Abs. 3a BGB zur Verfügung. Der Vermieter darf dann die Kaltmiete um acht Prozent erhöhen, ist aber verpflichtet, das Netz jedem am Zugang interessierten TK-Anbieter kostenfrei anzubieten und sich um Betrieb, Entstörung etc. zu kümmern.

BVI-Magazin: Der Anspruch des Wohnungseigentümers auf den Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität, der sich aus § 20 Wohnungseigentumsgesetz ergibt, führt künftig in der Praxis in der Wohnungseigentümergemeinschaft zu einer Vielzahl von Verträgen und damit Anbietern für Telekommunikations- und Mediendienstleistungen, was die Abrechnung des Verwalters erschwert. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diesem Problem zu begegnen?

Jürgen Grützner: Solange keine der Vertragsparteien auf das Sonderkündigungsrecht ab dem 1. Juli 2024 zugreift, können die Verträge auch über das Jahr 2024 hinaus fortgeführt werden. Der Vermieter übernimmt dann weiter die Kosten der TV-Versorgung – nicht Kosten der Installation – und kann diese nur nicht mehr als Betriebskosten auf den Mieter umlegen. Alternativ und in der Kommunikation mit den Mietern aufwendiger ist eine Versorgungsvereinbarung mit dem bisherigen TK-Unternehmen, bei der jeder Mieter einen Einzelnutzervertrag zur Lieferung eines TV-/Internetangebots angeboten bekommt. In jedem Fall ist es für den Haueigentümer ratsam, sich jetzt um die Frage einer zukunftsfähigen Inhouse-Versorgung zu kümmern und dieses Thema nicht hinauszuzögern. Andernfalls steigt die Wahrscheinlichkeit, dass immer mehr Mieter sich eigenständig um einen Anschluss kümmern. Der Vermieter darf dies dem Mieter nicht verweigern. Selbst Wohnungseigentümergemeinschaften müssen den Anschluss ans Glasfasernetz und die dazugehörigen Bauarbeiten dulden. Daher lohnt es sich, direkt jede Wohneinheit bei einer Ausbauaktivität eines TK-Unternehmens vor Ort mit einem Glasfaseranschluss zu versehen.

JÜRGEN GRÜTZNER
Jürgen Grützner ist Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e. V. (VATM).

INFORMATION

Dem VATM gehören die größten deutschen Telekommunikationsunternehmen an, insgesamt rund 160 auch regional anbietende Netzbetreiber, Diensteanbieter usw. Die VATM-Mitglieder versorgen 80 Prozent aller Festnetzkunden und nahezu alle Mobilfunkkunden außerhalb der Telekom. 90 Prozent der Kunden nutzen die gigabitfähigen Netze der alternativen Anbieter.

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