Das neue WEG und der Verwalter in (laufenden) Gerichtsverfahren

Durch die WEG-Reform hat sich die Rolle des Verwalters in Gerichtsverfahren verändert, der Beitrag erläutert dies unter besonderer Berücksichtigung von bereits vor dem 1. Dezember 2020 anhängigen Verfahren.

I. Die neue Rolle des Verwalters in Gerichtsverfahren

1. Umfassende Vertretungsmacht im Außenverhältnis

Die Rolle des Verwalters in Gerichtsverfahren ist deutlich gestärkt worden. Nunmehr werden alle Klagen, insbesondere alle Beschlussklagen (§ 44 Abs. 2 S. 1 WEG), zwischen den Eigentümern und der WEG geführt. Der Verwalter hat für die WEG nun im Hinblick auf Gerichtsverfahren umfassende Vertretungsmacht (§ 9b Abs. 1 WEG). Dies bedeutet, dass er gegenüber dem Gericht verbindliche Erklärungen für die WEG abgeben kann. Gleiches gilt auch gegenüber einem Rechtsanwalt. Der Verwalter kann daher bindend ein Mandat erteilen, aber auch eine Vergütungsvereinbarung abschließen.

2. Beschränkte Entscheidungsmacht im Innenverhältnis

Nach neuem Recht wird jedoch die Unterscheidung zwischen Außenverhältnis (z. B. gegenüber dem Gericht) und Innenverhältnis (gegenüber den Eigentümern) deutlich wichtiger als früher. Ähnlich wie ein Geschäftsführer einer GmbH oder ein Prokurist darf im Innenverhältnis der Verwalter nicht alles tun, wozu er im Außenverhältnis Vertretungsmacht hat. Es gilt genau zu prüfen, wozu der Verwalter alleine gem. § 27 WEG Entscheidungsmacht hat.

3. Typische Konstellationen

Einfach sind Fälle, in denen die WEG verklagt wird, hier liegt ein Eilfall iSv § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG vor. Schwieriger ist es, wenn die WEG selber klagen will. Ein Beschluss hierfür im Einzelfall ist nicht nötig, wenn die Eigentümer nach § 27 Abs. 2 WEG dem Verwalter insoweit „freie Hand“ gegeben haben. In allen anderen Fällen kommt es (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG) darauf an, ob die durch die Klage verursachten Kosten nicht erheblich sind (wohl 2 bis 5 Prozent des Wirtschaftsplans) und es sich um eine „Alltagsmaßnahme“ handelt, bei der eine Eigentümerversammlung nicht auf Verständnis stoßen würde.

Bei „normalen“ Hausgeldklagen ist daher nun ein Beschluss nicht mehr erforderlich. Demgegenüber bedarf es für Störungs- und Beseitigungsklagen einer Beschlussfassung, denn dies sind keine Alltagsmaßnahmen. Üblicherweise auch keine Maßnahme untergeordneter Bedeutung ist der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit einem Rechtsanwalt (ausf. zum Ganzen Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 9 Rn. 98 ff.).

II. Was gilt in zum 1. Dezember 2020 bereits laufenden Verfahren?

1. Beschlussklagen

Für vor der Reform erhobene Beschlussklagen stellen sich keine Probleme. Es gilt § 48 Abs. 5 WEG, wonach die Verfahren nach dem bisherigen Verfahrensrecht weiterlaufen. Beklagte sind also weiter die übrigen Wohnungseigentümer, die der Verwalter entsprechend § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG aF vertritt (dazu LG Frankfurt a. M., Urteil vom 15. Juli 2021 – 2-13 S 5/21).

Ansonsten vertritt der Verwalter die Wohnungseigentümer aber nicht mehr. Sollte zukünftig eine Klage gegen die Eigentümer an den Verwalter zugestellt werden, empfiehlt es sich, diese umgehend an das Gericht zurückzusenden.

2. Unterlassungs- und Beseitigungsklagen

Klagen auf Beseitigung unzulässiger baulicher Veränderungen oder Unterlassung einer vereinbarungswidrigen Nutzung können nach neuem Recht nur noch von der WEG erhoben werden (§ 9a Abs. 2 WEG). Gleichwohl hat der BGH auch hier (Urteil vom 7. Mai 2021 – V 299/19) entschieden, dass laufende Prozesse von den Eigentümern fortgeführt werden können.

Der BGH hat jedoch der WEG die Möglichkeit eingeräumt, den Prozess zu übernehmen oder dem klagenden Eigentümer die Fortführung des Prozesses zu untersagen. Beides bedarf im Außenverhältnis (nur) einer Erklärung durch den Verwalter (§ 9b Abs. 1 WEG). Im Innenverhältnis ist zwingend eine Beschlussfassung nötig. Gerichte werden zunehmend beim Verwalter fragen, wie die WEG sich verhält. Zur Vermeidung außerordentlicher Versammlungen bietet es sich wohl an, vor der nächsten Versammlung abzufragen, ob noch derartige Prozesse zwischen den Eigentümern anhängig sind, um dann sogleich eine Beschlussfassung herbeizuführen.

3. Klagen gegen den Verwalter durch Eigentümer

Leistungsklagen von Eigentümern gegen den Verwalter (etwa auf Beschlussumsetzung oder Einsicht in Verwaltungsunterlagen) sieht das neue Recht nicht mehr vor. Hier greift auch die Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 5 WEG nicht, sodass diese Klagen nicht mehr gegen den Verwalter fortgeführt werden können (BGH, Urteil vom 7. Mai 2021 – V 299/19).

4. Beitragsklagen

Unproblematisch sind Hausgeldklagen. Diese hat schon immer die WEG erhoben. Hier hat sich durch die Reform nichts geändert, so dass laufende Verfahren einfach fortgeführt werden können.

III. Fazit

Gerichtsverfahren sind auch nach neuem Recht für den Verwalter anspruchsvoll. In bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der WEG-Reform anhängigen Verfahren bedarf es einer genauen Prüfung im Einzelfall, ob und wie zu reagieren ist.

DR. FRANK ZSCHIESCHACK

 

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