T wie Tierhaltung – Verbot durch Beschluss möglich?

Verwalterpraxis A-Z -

Situation
Die WEG Littenstraße 10 in Berlin besteht aus 25 Wohnungen. Nach dem Inhalt der Gemeinschaftsordnung wird nach dem Einheitenprinzip abgestimmt.
Dem Verwalter liegt zur nächsten Eigentümerversammlung nachstehender Antrag zur Tagesordnung vor: „Die generelle Tierhaltung in der Wohnungseigentümergemeinschaft ist ab sofort verboten!“.

Auf der Eigentümerversammlung wird der Antrag mit 24 Ja-Stimmen und einer Nein-Stimme mehrheitlich beschlossen. Wohnungseigentümer Q, der auch dagegen gestimmt hat, ist mit dieser Einschränkung nicht einverstanden und ficht den Beschluss an.

Rechtlicher Hintergrund
Dem Wohnungseigentumsgesetz ist nicht konkret zu entnehmen, ob die WEG für den kompletten Ausschluss bzw. Verbot der Tierhaltung eine Beschlusskompetenz besitzt. Besteht allerdings eine Beschlusskompetenz, ist ein Beschluss grundsätzlich nie nichtig, es sei denn, er hat andere gravierende Mängel (z. B. er ist nicht hin-reichend bestimmt, verstößt gegen ein Gesetz oder berührt den Kernbereich des Wohnungseigentums).

Allerdings findet die Beschlusskompetenz der WEG dort ihre Grenzen, wo gegen elementare Rechte der Eigentümer (§ 13 Abs. 1 WEG) verstoßen wird. Ein Verstoß hiergegen hat zur Folge, dass der Beschluss dann nichtig ist.

Nach der einschlägigen Kommentierung (Suilmann in Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 14 Rn 36, so auch: Schultzky in Jennißen, WEG, 6 Aufl., § 15 Rn 107) gehört die Tierhaltung zwar zu den Eigentumsrechten aus § 13 WEG, ein generelles Verbot der Tierhaltung greift allerdings nicht in den Kernbereich des Sondereigentums ein (a. A. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 02.10.2006 - 5 W 154/06 – 51; ZMR 2007, 308). Grundsätzlich ergibt sich die Beschlusskompetenz daher aus § 15 WEG (Gebrauchsregelung = Mehrheitsbeschluss).

Unentziehbares, aber verzichtbares Mitgliedschaftsrecht
Vor einigen Jahren hatte der BGH (Urteil v. 10.10.2014, V ZR 315/13; ZMR 2015, 12) allerdings den Begriff der „schwebenden“ Beschlüsse eingeführt, danach gehört ein vollständiges Tierhaltungsverbot zu den unentziehbaren, aber verzichtbaren Mitgliedschaftsrechten (verzichtbares Individualrecht – durch Beschluss nicht ent-ziehbares Recht). Wird in ein solches Recht durch Beschluss eingegriffen, soll der Beschluss unwirksam sein, solange der betroffene Wohnungseigentümer nicht zu-gestimmt hat (siehe auch BGH, Urteil vom 12.04.2019, V ZR 112/18; NZM 2019, 476 - Vermietungsverbot).

In der vorgenannten Entscheidung zum „kurzzeitigen Vermietungsverbot“ hat der BGH zuletzt auf folgendes hingewiesen:
„Bislang ist der Senat bei Eingriffen in unentziehbare, aber verzichtbare („mehrheits-feste“) Rechte davon ausgegangen, dass die fehlende Zustimmung nachteilig betroffener Sondereigentümer die schwebende Unwirksamkeit eines gleichwohl gefassten Beschlusses zur Folge hat. Ob daran festgehalten werden kann, erscheint dem Senat angesichts der darauf bezogenen Kritik zweifelhaft. Einer abschließenden Entscheidung über die Rechtsfolgen des Beschlussmangels bedarf es jedoch nicht. Da alle Wohnungseigentümer zustimmen mussten und dem in Bezug genommenen Protokoll der Eigentümerversammlung zufolge einzelne Wohnungsei-gentümer mit Nein gestimmt haben, wäre der Beschluss auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung von vornherein unwirksam gewesen.

Fazit
Wohnungseigentümer Q wird im vorliegenden Sachverhalt mit seiner Beschlussanfechtungsklage durchkommen, da er nicht auf sein individuelles Recht zur Tierhaltung verzichten möchte. Fraglich ist nach hier vertretener Auffassung immer noch, ob es sich weiterhin um einen schwebend unwirksamen Beschluss handelt oder lediglich um einen anfechtbaren Beschluss, der nach Ablauf der Beschlussanfechtungsfrist bestandskräftig werden kann, wenn er nicht angefochten wird (siehe Schultzky in Jennißen, WEG, 6. Aufl., § 23 Rn. 183).


Interessant hierzu auch

BGH, Beschluss vom 4.5.1995 ‒ V ZB 5/95; NJW 1995, 2036
Ein unangefochtener Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer, der die Hundehaltung in einer Wohnanlage generell verbietet, hat vereinbarungsersetzenden Charakter (…) und bindet alle Wohnungseigentümer, weil er weder sittenwidrig ist noch in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift.

Oberlandesgericht Saarbrücken: Beschluss vom 02.11.2006 – 5 W 154/06; ZMR 2007, 308
Ein generelles Haustierhaltungsverbot ist einem Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer nicht zugänglich.

Massimo Füllbeck
[email protected]

 

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