BGH, Urteil vom 17.10.2014 – V ZR 26/14

Vorschüsse für Anwaltsmandate in Beschlussanfechtungsverfahren

Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs lässt Wohnungseigentümergemeinschaften zwei Handlungsoptionen offen. 

  1. Sind Beschlussanfechtungsklagen zu erwarten, darf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer prophylaktisch die Aufbringung von Vorschüssen als Teil von Gesamt- und Einzelwirtschaftsplänen oder Sonderumlagen beschließen. Und damit den Verwalter in die Lage versetzen, kurzfristig nach Zustellung einer Beschlussanfechtungsklage einen Anwalt mit der Rechtsverteidigung der übrigen Wohnungseigentümer gegen diese Klage zu beauftragen.
  2. Sind Beschlussanfechtungsklagen nicht abzusehen, können die Wohnungseigentümer den Verwalter durch Mehrheitsbeschluss ermächtigen, dafür Gemeinschaftsmittel einzusetzen.

Die Beschlussanfechtungsklage ist nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht gegen den Verband, sondern gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten. Die dafür entstehenden Kosten sind deshalb keine Kosten der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Trotzdem darf der Verwalter den von ihm mit der Klageverteidigung beauftragten Anwalt aus Gemeinschaftsmitteln (wenn auch nur vorerst) bezahlen. Die Wohnungseigentümer können die Bereitstellung solcher Mittel nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 2 WEG zu einer Gemeinschaftsangelegenheit machen.

Der Verwalter wird so in die Lage versetzt, die ihm auf Grund von § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG obliegende Aufgabe zu erfüllen, einen Anwalt mit der Verteidigung gegen eine Beschlussanfechtungsklage zu beauftragen. Der Anwalt darf gemäß § 9 RVG einen Vorschuss auf seine Gebühren und Auslagen verlangen. Diesen soll der Verwalter zahlen können. Zur Bereitstellung solcher Mittel sind die Eigentümer auf Grund des mit § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG begründeten Geschäftsbesorgungsverhältnisses nach §§ 675 Abs. 1, 669 BGB verpflichtet.

Bereitstellung der Gelder vor der Anfechtungsklage

Diese Pflicht zur Bereitstellung von Geldern für zu erwartende Anwaltskostenvorschüsse ist bei entsprechendem Beschluss schon zu erfüllen, wenn noch gar keine Anfechtungsklage zugestellt ist. Es kann potentiell nämlich jeder Wohnungseigentümer künftig Beklagter einer Beschlussanfechtungsklage und damit vorschusspflichtig werden. Die Vergemeinschaftung der Vorschusspflicht dient der Bündelung von – zumindest zu diesem Zeitpunkt – noch gleichgerichteten Interessen aller Wohnungseigentümer, denn jeder kann künftig betroffen sein.

Kehrseite der gesetzlichen Vertretung der übrigen Wohnungseigentümer durch den Verwalter ist seine in § 27 Abs. 2 WEG vorgesehene Berechtigung für die übrigen Wohnungseigentümer nach Zustellung der Beschlussanfechtungsklage das Notwendige zu veranlassen. Diese Befugnisse müssen im Interesse der Gemeinschaft effektiv wahrgenommen werden können. Denn Beschlüsse, die ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, sollen nicht für ungültig erklärt, sondern bestandskräftig werden. Eine effektive Verteidigung ist nur gewährleistet, wenn dem Verwalter die für die Wahrnehmung seiner Befugnisse notwendigen Geldmittel zur Verfügung stehen. Die Erfüllung der Vorschusspflicht gegenüber dem Verwalter ist deshalb auch dem Gemeinschaftsinteresse förderlich.

Zahlungspflicht, nur wenn Anfechtungsklagen zu erwarten sind

Dem steht auch nicht entgegen, dass sich der Beschlussanfechtungskläger bei Inanspruchnahme der bereitgestellten Mittel durch den Verwalter jedenfalls vorübergehend an der Finanzierung seiner Prozessgegner beteiligt. Fehlen allerdings Anhaltspunkte dafür, dass es zu Beschlussanfechtungsklagen kommen wird, ist ein Ansatz von Kosten hierfür nicht gerechtfertigt. Die Wohnungseigentümer dürfen den Verwalter dann aber ermächtigen, erforderlich werdende Vorschüsse aus den nicht für spezielle Zwecke bestimmten Gemeinschaftsmitteln zu entnehmen.

Dr. Olaf Riecke
www.riecke-hamburg.de

 

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