Mieterstromprojekt in Berlin

WEG und Photovoltaik – 
und es geht doch!

Wie lässt sich Photovoltaik im Wohnungseigentum nutzen? In Berlin-Lichtenrade zeigt ein Mieterstromprojekt, wie es geht. Ein Bericht aus der Praxis.

Vor rund vier Jahren ergab sich am Rande eines Gesprächs mit dem Verwaltungsbeirat einer WEG mit 108 Wohnungen in Berlin-Lichtenrade die Frage, ob die WEG nicht etwas für den Klimaschutz tun könne, zum Beispiel Strom auf dem Dach produzieren. Das Ganze war vor der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes und warf reflexartig die Frage auf, ob dies mit Mehrheit oder einstimmig – da bauliche Veränderung – zu beschließen sei.

Da dem Beirat vorschwebte, nicht nur den Gemeinschaftsstrom auf dem Dach zu erzeugen, sondern auch die Wohnungen zu versorgen, fiel das Stichwort „Mieterstrom“ (steht so im Gesetz, gilt aber auch für Wohnungseigentümer). Dies machte einen Blick in das Energie-Wirtschafts-Gesetz (EnWG) notwendig. Hier sind in § 42a „Mieterstromverträge“ geregelt.

Komplizierte gesetzliche Regelung

Die Idee, mit dem Strom vom eigenen Dach auch die Wohnungen zu versorgen, ist kompliziert. So heißt es im Gesetz: „Der Mieterstromvertrag muss die umfassende Versorgung des Letztverbrauchers mit Strom auch für die Zeiten vorsehen, in denen kein Mieterstrom geliefert werden kann.“ Zu Deutsch: Auch bei Nacht und Wolken muss Strom (und zwar aus erneuerbaren Energien) geliefert werden. Der Mieter bzw. Eigentümer kann für diese Zeiten nicht einfach auf einen Stromversorger verwiesen werden, sondern die WEG müsste als Betreiber einer Photovoltaikanlage die Stromversorgung 24/7 sicherstellen. Es müsste also Strom hinzugekauft werden, wenn keine Sonne scheint. Die WEG würde zum Stromhändler mit allen steuerlichen und regulatorischen Themen. Und das sollte der WEG-Verwalter leisten? Nein, das ging nicht, und das sah der Verwaltungsbeirat auch ein.

Es bestand schnell Einvernehmen, dass es besser sei, einem Profi das Dach zu vermieten. Der Betreiber würde die Anlage errichten und betreiben. Der WEG blieben somit auch die Investitionen erspart und die Rücklage kann für andere Maßnahmen genutzt werden.

Nun galt es, zu recherchieren, um geeignete Anbieter zu finden. Drei Firmen wurden angefragt und sahen sich die Wohnanlage und insbesondere das Dach und die Haustechnik für Strom genau an. Zwei Firmen gaben ein Angebot ab, eine Firma war der Meinung, dort könne man ein Mieterstrommodell nicht wirtschaftlich betreiben. Die Angebote bezogen sich formal auf die Anmietung der Dachfläche. Relevant waren aber die Konditionen für eventuelle Baukostenzuschüsse und der Preis für die Stromlieferung.

Dann kam Corona …

Dann kam Corona und die geplante Eigentümerversammlung verschob sich um ein halbes Jahr. Im Spätsommer 2020 wurde der WEG das Projekt vorgestellt; der Vertreter eines Anbieters war bei der Versammlung und hat die Fragen der Eigentümer beantwortet. Bei den Eigentümern war von Begeisterung bis hin „die Verwaltung will unsere WEG verkaufen“ alles dabei. Letztlich war eine Mehrheit grundsätzlich dafür, sodass nun die Einzelheiten des Vertrags verhandelt werden konnten.

Der Zeitverzug hatte einen Vorteil: Da das neue Wohnungseigentumsgesetz beschlossen war, bedurfte es nur noch eines Mehrheitsbeschlusses. So waren rechtliche Diskussionen nicht mehr erforderlich.

Bis zur nächsten Eigentümerversammlung im Spätsommer 2021 legte der wirtschaftlichste Anbieter einen Mietvertrag vor. Zudem wurde der Zustand des Dachs geprüft. Übliche Bedingung ist, dass ein Dach in einem guten Zustand sein muss, damit die Photovoltaikanlage nicht kurze Zeit nach ihrem Aufbau aufgrund einer Sanierung des Dachs wieder abgebaut werden muss.

Im Jahr 2021 wurde mehrheitlich beschlossen, mit der Berliner Energieagentur GmbH einen Mietvertrag abzuschließen. Obwohl aufgrund mancher Meinungsäußerung eine Beschlussanfechtung nicht auszuschließen war, ging der Beschluss ohne Rechtsstreit durch und wurde bestandskräftig. Die Berliner Energieagentur nahm die statische Prüfung des Dachs vor sowie die Klärung der Hausanschlüsse mit dem Stromnetzbetreiber. Für die Mieterstromlieferung ist in den allermeisten Fällen die Errichtung einer sogenannten Kundenanlage erforderlich. Denn der Strom der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach muss direkt zu den Bewohnern gelangen – ohne Nutzung des öffentlichen Stromnetzes.

Beginn im Frühjahr 2022

Im Frühjahr 2022 wurden alle Bewohner über die Konditionen des Mieterstroms erstmals informiert und die Antragsunterlagen versandt. Der Preis je Kilowattstunde ist aufgrund der gesetzlichen Vorgabe (Preis maximal 90 Prozent des Grundversorgertarifs) günstiger; zudem entfallen für Solarstrom, der im Haus verbraucht wird, einige Abgaben für das Netz, da das allgemeine Stromnetz nicht genutzt wird. Die Berliner Energieagentur GmbH hat die Stromlieferung zeitnah begonnen, auch wenn die Anlage noch nicht errichtet war. Im Herbst folgte ein weiteres Schreiben mit den Angebotsunterlagen.

Nach der etwas langwierigen Abstimmung mit dem Netzbetreiber wurde im November die elektrische Anlage im Keller entsprechend hergerichtet. Im Dezember wurden die Solarmodule auf dem Dach aufgebaut und im Januar 2023 die Anlage verkabelt. Der Anschluss an das Stromnetz steht leider noch aus. Mit Beginn des Frühjahrs 2023 sollten Eigentümer und Mieter dann Strom vom eigenen Dach beziehen können.

Fazit

Es hat länger gedauert als zuerst gedacht. Der Anteil der Bezieher von „Mieterstrom“ liegt jetzt bei rund 60 Prozent. Da ist also noch Luft nach oben. Aber: Es kann niemand gezwungen werden, einen Mieterstromvertrag abzuschließen. Jeder kann weiterhin anderweitig seinen Strom beziehen und den Vertrag auch wieder kündigen.

Die Mieteinnahme für das Dach hat eher symbolischen Wert. Der Sinn ist, Strom aus erneuerbaren Energien zu beziehen, nicht hohe Einnahmen für die WEG zu erzielen.

Da die Bundesländer vermehrt die Nutzung der Dächer für Photovoltaik-Anlagen vorschreiben, ist dieses Thema für Hausverwalter von zunehmender Bedeutung (siehe in Berlin das Solargesetz, das seit 1. Januar 2023 gilt).

Beim nächsten Stromprojekt in einer WEG werden wir eine Sondervergütung vereinbaren. Dieses erste Projekt war wichtig, um Erfahrungen zu sammeln, was dank eines professionellen Partners auch gelungen ist.

Frank Behrend
verwaltung-behrend.de

Frank Behrend ist Geschäftsführer der Frank Behrend Wohnungsverwaltung GmbH, Berlin, und Vorsitzender des BVI Berlin/Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern.

 

Einen Kommentar schreiben
Kommentieren