Ein Gastbeitrag von Oliver Wittke

Zwölf Monate „Ampel“ – die Immobilienwirtschaft im Wechselbad der Gefühle

Dieser Dezember ist der Monat des großen Jubiläums: Am 8. Dezember 2021, vor genau einem Jahr, wurde Olaf Scholz (SPD) mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP zum Kanzler gewählt. Anlass also für einen kühlen Blick auf den Ertrag. Was hat diese bundespolitische Premiere, was hat ein Jahr Ampelkoalition für die Wohnungs- und Baupolitik gebracht?

Für die drängenden Themen der Immobilienwirtschaft gab es über sehr lange Zeit keine feste Adresse. Seit jenem 8. Dezember gibt es eine – die Krausenstraße 17 in Berlin. Immerhin. Hier baut Klara Geywitz das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen auf. Ihr Kernanliegen, das sie mit großer Hartnäckigkeit verfolgt, ist eines, das uns verbindet: bezahlbarer, klimagerechter Wohnraum muss her, und zwar schnell.

Das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“, das dieses Daueranliegen pushen soll, ist auf Touren gekommen und hat im Oktober den ersten Ertrag geliefert. Der Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft, ZIA, war und ist hier dabei. Nicht von allen Details ist der ZIA gleichermaßen angetan, aber er verspricht sich von diesem Maßnahmenpaket für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive mehr Tempo durch effiziente Prozesse und einen entschiedenen Einsatz digitaler Möglichkeiten. Die Zeiten, in denen in Deutschland Planungs- und Genehmigungsverfahren als Slow-Motion-Prozess laufen, nähern sich wohl ihrem Ende. Dies wäre ein echter Gewinn.

Dass Deutschland noch einen riesigen Weg zurücklegen muss, um auch nur in die Nähe dieser 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr zu kommen, zeigt das ZIA-Wohnungsbaubarometer Monat für Monat auf.

Hinzukommt, dass zu einem weiteren Schlüsseldatum längst reihenweise alte Gewissheiten zerstört wurden: Der 24. Februar dieses Jahres hat mit Putins Angriff auf die Ukraine weltweit die politischen und ökonomischen Koordinaten derart grundlegend verschoben, dass viele Pläne binnen kürzester Zeit Makulatur wurden.

Die Lage ist sehr ernst – und tragisch. Allein 14 Millionen Menschen sind laut UNHCR aktuell auf der Flucht, etwa eine Million von ihnen lebt jetzt in Deutschland. Sie leben hier, aber die meisten wohnen nicht hier, jedenfalls nicht in Unterkünften, die den Namen „Wohnraum“ verdienen. Und der war schon vorher in Deutschland viel zu knapp bemessen.

Benötigt würden unter den neuen Bedingungen wohl eher 600.000 Extra-Wohnungen – nur haben sich leider mit wachsender Dringlichkeit die Bedingungen zur Verwirklichung des Ziels nicht in allen Punkten verbessert.

So hatte der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), gleich zum Start ins Ampel-Jahr Zeichen unnötiger Unsicherheit gesetzt. Das blieb dann auch über einige Monate so.

Die Förderpolitik, die eigentlich die energetische Neuorientierung pushen sollte, empfanden daher viele eher als Si-gnal zum Bremsen. Nur: Wenn die Immobilienwirtschaft auf dem Weg zum klimaneutralen Europa einen entscheidenden Beitrag leisten soll, dann sind Rätsel-Botschaften zu staatlichen Fördermitteln reines Gift.

Antrags-Stopp, Zusage-Stopp, Geldtopf leer, Blitzumstellungen bei der Förderung, Änderungen der KfW-Programme nach dem Motto „Beschlossen, verkündet, morgen gleich wirksam“ – da wurde der Branche über Monate sehr viel zugemutet. Der politische Kurs auf diesem Parcours ist mit dem Begriff „Slalom“ noch freundlich beschrieben.

Auch dem BVI Bundesfachverband der Immobilienverwalter ist dieses Muster aus der Praxis gut – oder eben: schlecht – bekannt: Eine Verordnung mit Kurzfristmaßnahmen für mehr Energieeffizienz wurde zum 1. September in Kraft gesetzt. Das war ganze sieben Tage nach der Entscheidung des Kabinetts. Für alle, die solche Prozesse im Alltag professionell meistern müssen, sind solche „Spontan-Aufgaben“ dann kein Kinderspiel.

Dabei steht fest: Zusätzliche Handicaps kann sich die Immobilienbranche gerade definitiv nicht erlauben. Denn die äußeren Rahmenbedingungen haben sich in den zurückliegenden Monaten immer weiter verschlechtert. Massive Preiserhöhungen, Zinsanstieg, Zusammenbrüche von Lieferketten, Wegfall der Förderkulisse und andere Hürden setzen vielen extrem zu.

Die Folgen für die Energieversorgung versucht diese Bundesregierung gerade für einige besonders hart Betroffene zu mildern. Dass sie über das Heizkostenzuschussgesetz unterstützt werden, ist gut. Auch das doppelte Plus beim Wohngeld – höhere Beträge, mehr Empfänger – ist unter den aktuellen Bedingungen richtig.

Der schnelle Blick aufs erste Ampel-Jahr ergibt also aus der Vogelperspektive ein durchaus gemischtes Bild. Für die Immobilienwirtschaft waren es zwölf Monate im Wechselbad der Gefühle. Die Erkenntnis, dass Politikerinnen und Politiker weltweit gerade mit vielen Problemen zu kämpfen haben, die sie vor einem Jahr nicht einmal erahnen konnten, ist dabei auch Teil einer fairen Analyse.

Oliver Wittke

Oliver Wittke ist Hauptgeschäftsführer des ZIA Zentralen Immobilien Ausschusses, des Dachverbandes der deutschen Immobilienwirtschaft.

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