Aktuelles aus der WEG-Rechtsprechung

Verwaltungsmaßnahmen, Vergütung, Instandsetzung – Dr. Olaf Riecke hat für Sie wieder eine Auswahl der neuesten Urteile zum Wohnungseigentumsrecht zusammengefasst.

Kostenverteilung

§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG lässt eine generelle Änderung einzelner Kostenverteilerschlüssel zu. Die konkreten Kostenverteilerschlüssel müssen im Beschluss selbst genannt werden. Wenn unklar bleibt, welche Schlüssel ab wann geändert werden sollen, ist der Beschluss zu unbestimmt.

AG Hamburg, Urteil vom 12. Dezember 2022, 11 C 106/22

Nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG besteht die umfassende Beschlusskompetenz, den gesetzlichen oder einen vereinbarten Umlageschlüssel zwar nicht generell, aber für die meisten Kosten und Kostenarten zu ändern. Die gesetzliche Öffnungsklausel des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG betrifft auch Erhaltungskosten, allein mit Ausnahme der Kosten baulicher Veränderungen.

AG Hannover, Urteil vom 20. September 2022, 482 C 5657/21

Verwaltungsmaßnahmen

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat einen Anspruch, dass ihr in Begleitung eines Sachverständigen der umbauende Wohnungseigentümer Zutritt zu seinem 
Sondereigentum gewährt. Ein solches anlassbezogenes Betretungsrecht muss auf zureichenden tatsächlichen 
Anhaltspunkten für die Vornahme von baulichen Veränderungen am bzw. mit Auswirkung auf das gemeinschaftliche Eigentum im Sondereigentum des Eigentümers beruhen.

AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 11. November 2022, 980a C 31/21

Bauliche Maßnahmen

Eine Veränderung des optischen Gesamteindrucks kann ausnahmsweise das Gewicht einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage haben. Bloße architektonische Disharmonien, wie sie häufig durch den Anbau von Balkonen oder Außenaufzügen entstehen, genügen dafür nicht. So ist von Bedeutung, ob der Anbau eines/jedes denkbaren Aufzugs im Hinterhaus ein krasser Eingriff in die äußere Gestalt der maßgeblich vom Vorderhaus geprägten Gesamtanlage wäre, der unweigerlich deren charakteristisches Aussehen insgesamt maßgeblich umgestalten würde.

LG München I, Urteil vom 8. Dezember 2022, 36 S 3944/22

Eigentümerversammlung

Die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit einer Verwaltungsmaßnahme ist auf die im Zeitpunkt der Beschlussfassung zugrundeliegenden Verhältnisse abzustellen. Maßgebend ist dabei der Kenntnisstand, den ein besonnener Wohnungseigentümer unter Ausschöpfung aller zu diesem Zeitpunkt zugänglichen Erkenntnisquellen ermittelt haben kann.

BGH, ZMR 2021, 830 Rn. 4

Ein Wohnungseigentümer kann sich auf einer Eigentümerversammlung nicht von seinem Sondereigentumsverwalter vertreten lassen, wenn dies der Vertretungsregelung in der Teilungserklärung widerspricht. Beschränkungen des Vertreterkreises in Altvereinbarungen sind auch nach Inkrafttreten des WEMoG wirksam.

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. November 2022, 2-13 S 54/22

Die Teilnahme an einer Eigentümerversammlung auf der Terrasse einer Miteigentümerin, mit der der andere Eigentümer seit Jahren im Streit liegt, ist auch dann unzumutbar, wenn die Terrasse zwar im Gemeinschaftseigentum liegt, aber faktisch allein die Miteigentümerin nutzt.

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 2. Februar 2023, 2-13 S 80/22

Verwaltertätigkeit

Für die inhaltliche Bestimmtheit der getroffenen Vergütungsregelung genügt es, dass eindeutig festgelegt ist, wie und woraus sich die Sondervergütung berechnet. Die 
Tätigkeiten, für die die beschlossene Sondervergütung zu zahlen ist, müssen sich klar und transparent von denjenigen Tätigkeiten abgrenzen lassen, für die sonst nach dem 
Verwaltervertrag eine Vergütung geschuldet ist.

LG München I, Urteil vom 18. Mai 2022, 1 S 124/21, ZMR 2022, 655

Dem Verwalter steht bei unwirksamer Kündigung aus wichtigem Grund gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Vergütungsanspruch aus §§ 615, 611 Abs. 1 BGB zu, da der zwischen den Parteien geschlossene Verwaltervertrag nicht vorzeitig beendet worden ist.

Der Verwalter muss sich gemäß § 615 S. 2 BGB ersparte Aufwendungen anrechnen lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, ob der Verwalter durch den Wegfall des Objektes in der Lage war, fixe Kosten und insbesondere Personal einzusparen. Ist dies nicht der Fall, wird eine pauschale Ersparnis der variablen Kosten von 20 Prozent angenommen.

LG Köln, Urteil vom 9. Juni 2022, 29 S 151/21, ZMR 2022, 923

Instandsetzung und Erhaltung

Vorbemerkung: Das Gesetz unterscheidet Erhaltung (Instandhaltung, Instandsetzung) sowie bauliche Veränderung. Die modernisierende Instandsetzung stellt keine eigene Kategorie mehr dar. Die frühere modernisierende Instandsetzung ist heute zu qualifizieren als modernisierende Erhaltung, nicht als bauliche Veränderung.

Dt. Ständiges Schiedsgericht ZMR 2022, 590 mit Anm. Agatsy; Bärmann/Dötsch, § 19 Rn. 163, § 20 Rn. 48, § 21 Rn. 23, 24; Riecke, ZMR 2023, Heft 3.

Maßnahmen wie der Austausch der verwendeten Materialien mit dem Ziel einer verbesserten und weniger gesundheitsgefährdenden Wärmedämmung wurden früher als „modernisierende Instandsetzung“ und werden nach der Terminologie des WEMoG als „modernisierende Erhaltung“ angesehen. Der ersatzlose Wegfall des § 22 Abs. 3 WEG a. F. 
spricht dafür, Maßnahmen der modernisierenden Erhaltung nunmehr nach den Regelungen über bauliche Veränderungen in §§ 20 f. zu beurteilen.

LG München I, Urteil vom 9. November 2022, 1 S 3113/21

Dr. Olaf Riecke
weiland Richter am Amtsgericht Hamburg-Blankenese
[email protected]

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