Gefahren erkennen und Risiken vorbeugen

Brandschutz im Wohnungsbestand

Zunehmend kommt es seit Jahren zu heiß diskutierten Fragen beim Brandschutz im Bestand. Umnutzungs- oder Umbaumaßnahmen erfordern eine Anpassung des Gebäudes an die aktuellen Standards bei Komfort und Energieeinsparung. Damit einher gehen oft auch zusätzliche Anforderungen an den Brandschutz.

Brandschutz ist kein Selbstzweck: Gesetze, Vorschriften und Richtlinien dienen dazu, die „gesellschaftlich vereinbarten“ Schutzziele zu erreichen, auf die jeder Bewohner oder Benutzer einer baulichen Anlage Anspruch hat. Zum Verständnis dieser Gesetze, Anforderungen und Schutzziele ist ein grober Überblick über den Aufbau, die Hierarchie und die Begriffe im Brandschutz erforderlich.

Abwehrender Brandschutz

Der abwehrende Brandschutz umfasst alle passiven und aktiven Maßnahmen, die Feuerwehren und andere hilfeleistenden Stellen vor und während des Brandes ergreifen, um direkte und indirekte Schäden für Personen und Sachen zu reduzieren. Das ist Aufgabe der Kommunen und der von ihnen organisierten Berufs- oder freiwilligen Feuerwehren und ist in den Feuerwehrgesetzen der Länder geregelt.

Baulicher Brandschutz

Zum baulichen Brandschutz zählen vor allem die Bildung von Brandabschnitten durch Brandwände und die Bemessung oder normgerechte Erstellung tragender oder raumabschließender Konstruktionen, zum Beispiel zum Schutz benachbarter Nutzungseinheiten oder von Rettungswegen. Grundsätzlich verlangt das Baurecht von jedem Eigentümer einer „baulichen Anlage“, besonders eines Gebäudes, diese „so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird“. Dieses Schutzziel ist ganz oben in der sogenannten Musterbauordnung (MBO) festgelegt.

Ein weiteres Schutzziel der MBO ist die Rettung von Mensch und Tier. Dazu dienen vor allem Rettungs- und Fluchtwege. Eine frühe Alarmierung, die sichere Beleuchtung und die Kennzeichnung von Rettungswegen erleichtern die Eigenrettung. Für die Fremdrettung, zum Beispiel von Personen mit eingeschränkter Mobilität, können ganz besondere Einrichtungen erforderlich sein.

Über die gesellschaftlich vereinbarten Schutzziele hinaus kann es für bestimmte Gebäude oder Nutzungen individuelle Schutzziele geben, die besondere Brandschutzmaßnahmen erfordern. Der Schutz von Sachwerten oder Kulturgütern ist im Baurecht nicht vorgesehen und muss von Eigentümern oder Nutzern gesondert vereinbart werden.

Baurechtliche Bestimmungen

Der Brandschutz für bauliche Anlagen ist im öffentlichen Baurecht in weitgehend hierarchisch geordneten Gesetzen festgelegt. Die Bundesländer verfügen über die Hoheit oder Kompetenz im Bauordnungsrecht, das heißt, sie können unabhängig und landesspezifisch Bauordnungen und nachfolgende Regelungen erlassen oder verändern.

Damit die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Länder im Bauwesen nicht zu weit auseinanderklaffen und um einen einheitlichen Vollzug der Gesetze sicherzustellen, haben die Länder die „Konferenz der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (ARGEBAU)“ gegründet. Diese „Bauministerkonferenz“ stimmt sich über die Musterbauordnung ab. Sie ist Grundlage für die Landesbauordnungen (LBO), die die Parlamente der einzelnen Bundesländer erlassen. Ausschlaggebend für die Brandschutzanforderungen ist an oberster Stelle die Bauordnung des Landes, in dem das Gebäude errichtet wurde oder wird.

Gebäudeklassen, Baustoffe und Bauteile

Die LBO bemessen die Anforderungen an den baulichen Brandschutz nach Gebäudeklassen (GK). Die Gebäudeklassen haben die davor gebrauchten Begriffe „Gebäude niedriger Höhe“ (GK 1 bis 3) und „Gebäude mittlerer Höhe“ (GK 4 und 5) abgelöst.

Die Brandschutzanforderungen an die Bauteile von Gebäuden steigen entsprechend den Gebäudeklassen und dadurch mit der Höhe der Gebäude und der Größe von Nutzungseinheiten.

Verwendbare Baustoffe werden in den Bauordnungen unterschieden in:

  • Brennbare Baustoffe (Baustoffklasse B)
  • Normalentflammbare Baustoffe (Baustoffklasse B2)
  • Schwerentflammbare Baustoffe (Baustoffklasse B1)
  • Nichtbrennbare Baustoffe (Baustoffklasse A)

Bauteile werden unterschieden in:

  • Feuerbeständige Bauteile
    Sie müssen dem Feuer mindestens 90 Minuten Widerstand leisten. Tragende und aussteifende Bauteile müssen überwiegend aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. Raumabschließende Bauteile müssen zusätzlich 
 eine in Bauteilebene durchgehende Schicht aus nicht-
brennbaren Baustoffen (Brandschutzbekleidung) haben.
  • Hochfeuerhemmende Bauteile (hfh)
    Sie müssen dem Feuer mindestens 60 Minuten Widerstand leisten. Tragende und aussteifende Bauteile dürfen 
 aus brennbaren Baustoffen bestehen. Sie müssen allseitig eine brandschutztechnisch wirksame Bekleidung 
 aus nichtbrennbaren Baustoffen (Brandschutzbekleidung) und Dämmstoffe aus nichtbrennbaren Baustoffen 
haben.
  • Feuerhemmende Bauteile (fh)
    Sie müssen dem Feuer mindestens 30 Minuten Widerstand leisten. Alle Teile dürfen aus brennbaren Baustoffen 
bestehen.

Rettungswege und Anlagentechnik

Grundsätzlich sind für Nutzungseinheiten (Wohnungen, Praxen, selbstständige Betriebsstätten) mit mindestens einem Aufenthaltsraum immer zwei unabhängige Rettungswege erforderlich, deren Breite „für den größten zu erwartenden Verkehr ausreichen“ muss. Dies ist in der Regel erfüllt, wenn die Mindestmaße aus der DIN 180652 eingehalten werden.

Rettungswege müssen weitgehend frei von Brandlasten (brennbaren Einbauten oder Einrichtungen) sein und dürfen nicht durch Einbauten oder Einrichtungen eingeengt werden. Brandschutzeinrichtungen, die dem Schutz der Rettungswege dienen, zum Beispiel Rauchschutztüren, dürfen nicht beschädigt oder unsachgemäß offen gehalten werden, zum Beispiel durch Holzkeile. Ist eine Offenhaltung von Brand- oder Rauchschutztüren gewünscht, darf dies nur durch zugelassene Offenhaltungssysteme geschehen.

Die Landesbauordnungen beschreiben auch die baulichen Anforderungen an die „Technische Gebäudeausrüstung“ wie Aufzüge, Leitungs-, Lüftungs- oder Feuerungsanlagen. Dabei steht der Schutz des Gebäudes und seiner Nutzer im Mittelpunkt.

Bestandsschutz

Jede bauliche Anlage unterliegt grundsätzlich dem Bestandsschutz gegenüber nachträglichen Rechtsveränderungen. Das heißt, dass die Bauaufsicht bei Modernisierungen oder Umbaumaßnahmen ohne Veränderung des statischen Systems keine nachträglichen Anforderungen stellen darf, die aus einer Aktualisierung des Baurechts entstanden sind. Als Voraussetzung für den Bestandsschutz gilt, dass die bauliche Anlage zum Zeitpunkt ihrer Errichtung dem geltenden Recht entsprochen hat.

Der Bestandsschutz kann aber sehr begrenzt sein: Es sind nur Baumaßnahmen zulässig, die für die Erhaltung und die zeitgemäße Nutzung erforderlich sind. Das heißt, Eingriffe in die tragende Bausubstanz können zum Verlust des Bestandsschutzes führen. Auch alte Bauteile vollständig durch gleichartige neue Bauteile zu ersetzen, die den Umfang eines Neubaus annehmen, führt zum Verlust des Bestandsschutzes.

In der MBO und in den meisten LBO ist festgelegt, dass die bauliche Anlage ihren Bestandsschutz erst bei einer wesentlichen Änderung verliert. Dazu gehört auch eine Nutzungsänderung. Wird zum Beispiel ein Wohnhaus in eine Pension umgebaut, geht der Bestandsschutz verloren.

Aufhebung des Bestandsschutzes bei konkreter 
Gefahr

Eine Aufhebung des Bestandsschutzes und die nachträgliche Anordnung einer Maßnahme sind nur dann möglich, wenn es beim Ausbleiben dieser Maßnahme zu einer konkreten Gefahr für die Nutzer kommt.

Ein Beispiel: In einem Hochhaus, das nach Vorschriften des Baurechts der DDR errichtet wurde, war es wiederholt zu Brandstiftungen gekommen, die zu einer vollkommenen Verrauchung des Treppenraums führten. Die Eigentümerin des Hochhauses berief sich auf die Baugenehmigung nach DDR-Recht. Da nicht auszuschließen war, dass bei der nächsten Brandstiftung Menschen ernsthaft zu Schaden kommen, hob die Bauaufsicht den Bestandsschutz auf und forderte Maßnahmen nach geltendem Baurecht. In diesem Fall ist allerdings die Bauaufsicht verpflichtet, dem Fall von Amts wegen nachzugehen und trägt auch die Beweislast.

Reinhard Eberl-Pacan
Vizepräsident Deutsches Institut für vorbeugenden Brandschutz e. V. (DIvB)
www.divb.org


Reinhard Eberl-Pacan ist Diplom-Ingenieur und geschäftsführender Gesellschafter des Büros brandschutz plus GmbH. Seit 1990 ist er freischaffender Architekt und seit 2007 Planer und Sachverständiger für den vorbeugenden Brandschutz. Neben seinen Vortragstätigkeiten, u. a. beim Berliner Brandschutz-Fachgespräch oder beim Freiburger Brandschutz-Tag, ist er Leitender Redakteur der Fachzeitschrift „Bauen+“ des Fraunhofer Verlages. Eberl-Pacan ist Vize-Präsident des Instituts für vorbeugenden Brandschutz (DIvB). kontakt@brandschutzplus.de