Bundesverfassungsgericht erklärt Nichtigkeit des Gesetzes

Das Ende des Mietendeckels

Mit seiner am 15. April 2021 veröffentlichten Entscheidung vom 25. März 2021 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts den Berliner Mietendeckel (MietenWoG Bln) für nichtig erklärt, weil dem Land dafür die Gesetzgebungskompetenz fehlt (2 BvF 1/20, u.a.).

Die vom BVerfG festgestellte Unvereinbarkeit des MietenWoG Bln mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG führt zur Nichtigkeit des gesamten Gesetzes. Die Fraktion der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus hatte bei der Vorbereitung des Gesetzes ein Gutachten in Auftrag gegeben. Auf Seite 58 dieses Rechtsgutachtens der Professoren Mayer und Artz heißt es:

„Zusammenfassend lässt sich sagen: Am Recht wird ein Mietendeckel für Berlin nicht scheitern. Es kommt auf den politischen Willen an“.
Das BVerfG hat klargestellt, dass der Berliner Landesgesetzgeber überhaupt nicht befugt war, ein solches Gesetz zu erlassen.

Hätte das BVerfG „nur“ die Unvereinbarkeit mit der Verfassung festgestellt und dem Berliner Gesetzgeber noch eine Übergangfrist gewährt, so hätte es erhebliche Abwicklungsschwierigkeiten gegeben. Die Rückabwicklung ist jetzt überschaubar, nachdem feststeht, dass das Gesetz von Anfang an nichtig war.

Änderungen für Vermieter und Mieter

Ab Mai 2021 ist wieder die „BGB-Miete“ zu zahlen. Die Mieten waren entweder aufgrund der Stichtagsmiete (18.06.2019) zum 1. März 2020 oder gem. § 4 MietenWoG zum 1.12.2020 abgesenkt worden. Die Differenzbeträge können jetzt nachgefordert werden. Der Vermieter/Verwalter sollte die Beträge berechnen und eine Zahlungsfrist von zwei Wochen gewähren.

Im Fall der Wiedervermietung während der Zeit der vermeintlichen Geltung des MietenWoG Bln gilt: Sofern die Vermieter/Verwalter die nach dem BGB zulässige Miete (sog. Schattenmiete) vereinbart haben und nur den nach § 4 MietenWoG zulässigen Betrag eingefordert haben, muss der Mieter ab Mai 2021 die vertraglich vereinbarte Miete zahlen und für die vergangenen Monate ab Vertragsschluss die Differenz zwischen der vereinbarten Miete und dem Zahlbetrag nachzahlen.

Vertragsanpassungen notwendig

Wenn der Vermieter ausschließlich die nach § 4 MietenWoG zulässige Miete (sog. Deckelmiete) vereinbart hat, so hat er dies erkennbar getan, weil er sich unter Bußgeldandrohung hierzu verpflichtet fühlte. Es kommt hier, wenn die Differenz nicht zeitnah durch Mieterhöhungen ausgeglichen werden kann, möglicherweise eine Anpassung des Vertrages nach § 313 BGB in Betracht. Siehe hierzu BGH v. 24.3.2010 – VIII ZR 160/09, NJW 2010, 1663 zum vergleichbaren Fall, in dem die Parteien jahrelang irrtümlich von einer Mietpreisbindung ausgegangen waren und in dem daher sämtliche bisherigen Erhöhungserklärungen nach dem Wohnungsbindungsgesetz unwirksam waren. Denn ohne eine Vertragsanpassung wäre die ortsübliche Vergleichsmiete durch künftige Mieterhöhungen in absehbarer Zeit nicht annähernd zu erreichen.

Es stellt sich die Frage, ob und unterwelchen Voraussetzungen das Mietverhältnis gekündigt werden kann. Die Vermieter/Verwalter können zwar die rückständigen Beträge sofort einfordern und nach Ablauf einer Frist von zwei Wochen auch einklagen. Sie sollten jedoch wegen der rückständigen Mieten nicht vor dem 15. Juni 2021 kündigen. Es sollte hier der Rechtsgedanke des § 569 Abs. 3 Ziff. 3 BGB beachtet werden, wonach der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs des Mieters nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung (zur Zustimmung zur Mieterhöhung) kündigen kann, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind.

Zweimonatige Schonfrist für Mieter

Daher ist ab Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG, also ab dem 15.04.2021, dem Mieter eine Schonfrist von zwei Monaten zu gewähren, also bis zum 15.06.2021.

Viele Vermieter haben angekündigt, auf die Nachforderungen verzichten zu wollen. Der Vermieter darf die Mieter nicht aus Gründen ungleich behandeln, die gegen das AGG verstoßen. Ansonsten besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Gleichbehandlung der Mieter.

Sämtliche Verwaltungsakte und Bußgeldbescheide, die aufgrund des Gesetzes über den Mietendeckel ergangen sind, sollten mit dem jeweils zulässigen Rechtsmittel angefochten werden, sofern sie noch nicht rechtskräftig sind. Bescheide, die bestandskräftig geworden sind, behalten gemäß § 79 BVerfGG trotz der Aufhebung des Mietendeckels grundsätzlich ihre Wirksamkeit.

Da das BVerfG das MietenWoG mangels Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin für verfassungswidrig und nichtig erklärt hat, wird nun die Forderung nach einem bundesgesetzlich geregelten Mietendeckel erhoben. Eine Verpflichtung, die vereinbarte Miete abzusenken, wird es bundesgesetzlich wohl nicht geben.
Selbst das von der SPD-Fraktion seinerzeit in Auftrag gegebene Rechtsgutachten von Artz/Mayer kam auf S. 58 zu dem Ergebnis:
Abzusehen ist hingegen zum einen von einem regulatorischen Eingreifen in die Höhe der Miete in wirksam begründeten Bestandsmietverhältnissen.

Diese Einschätzung ist noch heute zutreffend.

Dr. Michael Schultz - www.mueller-radack.de

Quelle: BVI-Magazin Ausgabe 03/2021

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