Rettungsstrategien für den Profiverwalter

Die Anfechtungsklage

Der Verwalteralltag wird bekanntermaßen von der Frage begleitet, wie sich die wohnungseigentumsrechtlichen Anforderungen an die Verwaltungstätigkeit einerseits und wirtschaftliche Gesichtspunkte andererseits angemessen und praxisnah miteinander in Einklang bringen lassen. Das gilt auch und vor allem für Anfechtungsklagen.

Welche Möglichkeiten bringt die Tätigkeit als Verwalter mit sich, eine Anfechtungsklage zu beeinflussen? Dazu vorab ein wichtiger Leitgedanke: „Die Anfechtungsklage wird schon zu einem Zeitpunkt erfolgreich abgewehrt, zu dem sie noch gar nicht erhoben worden ist.“ Die erfolgreiche Abwehr einer Anfechtungsklage gründet sich demnach in der täglichen Arbeit. Es geht darum zu erkennen, wo Fallstricke versteckt sind.

Pflichtenkatalog der Verwaltung

Der Pflichtenkatalog der Verwaltung wird maßgeblich durch das Gesetz bestimmt, in der Regel abgeleitet aus den der Gemeinschaft (GdWE) übertragenen Pflichten. Dazu zählen etwa die Aufstellung der Zahlenwerke nach § 28 WEG, die Einsichtgabe in Verwaltungsunterlagen und die Durchführung von Beschlüssen. Letztere werden durch die Eigentümer gefasst. Ob ein Beschluss „steht oder fällt“, entscheidet im Zweifel also nicht die Verwaltung. Jedoch muss die Verwaltung am Zustandekommen eines Beschlusses gezwungenermaßen mitwirken, kann sich einer Beschlussfassung also nicht entziehen – anfechtbare Beschlüsse sind zu vollziehen, nichtige aber nicht. Aber wie soll ein Verwalter das rechtssicher erkennen können? Eine abschließende Antwort wird erst dann gefunden sein, wenn der – nicht nichtige – Beschluss entweder bestandskräftig geworden ist oder über eine Anfechtungsklage rechtskräftig entschieden ist. Die Beantwortung dieser Frage löst aber zumeist nicht unerhebliche Kosten aus und lenkt den Blick mitunter wieder zurück auf denjenigen, der die Beschlussfassung vorbereitet und mit durchgeführt hat – die Verwaltung. In gut funktionierenden Gemeinschaften wird der negative Ausgang einer Anfechtungsklage bzw. das Kippen eines Beschlusses durch das Gericht womöglich zwar zu Unmut, aber nicht zu unangenehmen Folgen für die Verwaltung führen. Das gilt vor allem dann, wenn sich die Mehrheit der Eigentümer guten Gewissens hinter ihr versammeln kann.

Diese Loyalität kennt aber auch ihre Grenzen – dann entstehen naturgemäß Haftungsfragen. In der Praxis immer wiederkehrende Gründe für den Erfolg oder den Verlust einer Anfechtungsklage sind etwa die Festlegung des Kostenrahmens einer Sanierung ohne belastbare Grundlage, eine bauliche Veränderung ohne konkrete Beschreibung, die „offensichtlich rechtswidrige“ Ablehnung von Beschlussanträgen, keine Vergleichsangebote vor der Beschlussfassung und – mit großer Häufigkeit – die Unbestimmtheit von Beschlüssen. Diesen Gründen ist gemein, dass entweder die Vorbereitung zur Beschlussfassung oder die Beschlussfassung selbst mit Fehlern behaftet ist und diese „Beschlussfehler“ zum Erfolg der Anfechtungsklage führen. Es fällt auf, dass es sich – jedenfalls theoretisch – um vermeidbare Fehler handelt.

Haftungsfragen

Im Ausgangspunkt haftet die Verwaltung wegen einer schuldhaften Pflichtverletzung auf Schadensersatz (§ 280 Abs. 1 BGB), und zwar gegenüber der GdWE. Die gerichtliche Geltendmachung eines Ersatzanspruchs hängt ferner davon ab, dass die Eigentümer einen entsprechenden Beschluss in einer Eigentümerversammlung fassen. Das hat auch den Vorteil, dass diese Voraussetzung erst geschaffen werden muss. Denn: Wer lädt dazu ein, wenn es nicht die Verwaltung ist? Wer stellt die Tagesordnung auf? Wer leitet die Sitzung? Wer führt die Abstimmungen durch und wer erstellt das Protokoll? Wie werden die Prozesskosten 
vorfinanziert? Wer erhebt die Klage? Wer darf einen Rechtsanwalt dafür beauftragen und zu welchen Konditionen? Diese Aufzählung macht deutlich, wie schwierig es in der Praxis ist und sein wird, tatsächlich einen Ersatzanspruch durchzusetzen. Hinzu kommt noch: Die Klage wird im Namen der GdWE erhoben; aber wie wird sichergestellt, dass die Korrespondenz nicht über das originäre Vertretungsorgan geführt wird?

Was kann und muss die Verwaltung also tun, um eine spätere Inanspruchnahme möglichst zu vermeiden? Der Schlüssel liegt schon darin, die Eigentümer auf eigene rechtliche Bedenken rechtzeitig aufmerksam zu machen. Es besteht für sie zwar keine Pflicht, die Abfassung rechtswidriger Beschlüsse zu verhindern. Aber es kann zu ihrer Entlastung führen, wenn sie eine eigene rechtliche Einschätzung äußert und den Eigentümern damit die Chance einräumt, von einer beabsichtigten Beschlussfassung abzusehen. Kommt die Verwaltung dieser Hinweispflicht nach, sollte sie ferner darauf achten, die Erfüllung dieser Pflicht zu protokollieren. Dieser „Disclaimer“ sollte ebenfalls enthalten, dass sich die Eigentümer trotz der geäußerten Bedenken mehrheitlich dafür entscheiden, über den Beschlussantrag abzustimmen, also die Verwaltung anweisen, den Beschluss zur Abstimmung zu stellen und das Ergebnis zu verkünden. Und noch ein Tipp: Sollten Eigentümer aus eigener Initiative an die Verwaltung herantreten und ein Begehren auf der Versammlung zur Beschlussfassung bringen wollen, sollte diese soweit möglich den Beschlussantrag auch selbst formulieren. Es ist ohnehin wegen der Fehleranfälligkeit nicht ratsam, Beschlusstexte erst in der Versammlung zu entwerfen. Das Haftungsrisiko sinkt aber, wenn nicht die Verwaltung selbst die Ursache für einen unbestimmten Beschluss gesetzt hat, sondern die Verantwortung dafür „ausgelagert“ worden ist.

Zertifizierter vs. „normaler“ Verwalter

Zukünftig wird auch zu diskutieren sein, ob ein „zertifizierter Verwalter“ i. S. v. § 26a WEG einer schärferen Haftung unterliegt als der „normale“ Berufsverwalter. Schließlich hat derjenige nachgewiesen, dass er „über die für die Tätigkeit als Verwalter notwendigen rechtlichen, kaufmännischen und technischen Kenntnisse verfügt“. Es reicht daher womöglich nicht mehr nur die Sorgfalt aus, die ein „durchschnittlicher, ordentlicher und gewissenhafter Verwalter“ aufgewendet hätte. Bei der Verteilung des Haftungsrisikos kann ferner von Bedeutung sein, wer den Anstoß für eine fehlerhafte Beschlussfassung gegeben hat – die Verwaltung oder die Eigentümer. Darüber hinaus dürfte im Rahmen eines Mitverschuldens nach § 254 BGB zu berücksichtigen sein, dass sich Eigentümer einen Beschlussgegen-
stand durch Abstimmung zu eigen gemacht haben, der erkennbar mit einem Mangel behaftet gewesen ist. Und noch etwas: Die Verwaltung kann sich nicht nur Entlastung durch die Eigentümer mit einem entsprechenden Beschluss erteilen lassen, sondern sie kann ihr Haftungsrisiko auch durch eine umfassende Rechtsberatung senken, am besten durch einen Fachanwalt für WEG-Recht. Wer die Rechtslage sorgfältig prüft, soweit erforderlich Rechtsrat einholt und die höchstrichterliche Rechtsprechung beachtet, wird sich entlasten können. Hinzu kommt aber das Problem, ob und in welchem Umfang die Verwaltung berechtigt ist, sich Rat durch einen Rechtsanwalt einzuholen, jedenfalls wenn dies auf Kosten der GdWE erfolgen soll.

Werden die Hürden der Pflichtverletzung und des Verschuldens gleichwohl übersprungen, ist das „Tor zur Haftung“ für die Verwaltung schon recht weit aufgeschlagen. Für die notwendige Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden gilt eine Vermutung: Die Wohnungseigentümer hätten sich bei pflichtgemäßem Verhalten der Verwaltung richtig verhalten. Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, das wird aber regelmäßig nicht gelingen.

Welche Kosten stehen bei einer Verwalterhaftung überhaupt in Rede? In Betracht kommen etwa die Kosten für den Anfechtungsprozess (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten), die Kosten einer erneuten Eigentümerversammlung, weitere Kosten für Sonderfachleute (Sachverständige etc.), Kosten für (weitere) anwaltliche Beratung, Mehrkosten für Verzögerungen bei Erhaltungsmaßnahmen etc.

Das Haftungsrisiko senken

Was ist also zu empfehlen, um das Haftungsrisiko weiter zu senken? Sollten potenzielle Beschlussmängel früh erkannt werden – etwa Fehler bei der Einladung oder der inhaltlichen Vorbereitung –, sollte ein neuer Versammlungstermin geplant werden. Frühzeitig sollte auf rechtliche Bedenken hingewiesen und die Wohnungseigentümer sollten mit ins Boot geholt werden (Stichwort „Disclaimer“). Die Abgabe einer Haftungsübernahmeerklärung kann erwogen werden, bevor es zum gerichtlichen Verfahren kommt, um die Kosten möglichst gering zu halten. Die Verwaltung wird hingegen nicht verpflichtet sein, die Eigentümer auf mögliche Schadensersatzansprüche hinzuweisen oder gar an deren Durchsetzung selbst mitwirken zu müssen. Aber die Mitwirkung an der Reduzierung von Prozesskosten – etwa durch die Abgabe eines Anerkenntnisses im Anfechtungsverfahren – dürfte zu verlangen sein, ebenso die Verteidigung gegen eine nicht aussichtsreiche Beschlussanfechtungsklage.

Barry Sankol

Barry Sankol ist 45 Jahre alt und Richter am Amtsgericht sowie Vorsitzender der WEG-Abteilungen beim Amtsgericht Hamburg-St. Georg. Er wirkt als Dozent für Seminare/Webinare im WEG-Recht und ist Fachautor.
barry.sankol@ag.justiz.hamburg.de