Die energetische Sanierung in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Wohnungseigentümergemeinschaften halten rund zehn Millionen Wohnungen in Deutschland. Sie sind das Schlusslicht bei der energetischen Gebäudesanierung. „Für die Erreichung der Klimaziele ist die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden unerlässlich.“ So heißt es in der amtlichen Gesetzesbegründung zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz unter Verweis auf „umweltpolitische Herausforderungen“.

Unter energetischer Sanierung eines Gebäudes wird eine bauliche Veränderung zur Senkung des Energieverbrauchs zu verstehen sein. Die energetische Sanierung kann viel Zeit beanspruchen. Zudem bedarf es regelmäßig der Expertise weiterer Fachleute. Zu denken ist an einen Architekten/Planer und Energieberater. Indes finden Eigentümerversammlungen in der Regel nur einmal pro Jahr statt. Insoweit wird häufig im ersten Jahr nur über die Planung beschlossen. Im Folgejahr liegen dann verschiedene Pläne zur Abstimmung vor. Sodann müssen Angebote der Gewerke eingeholt werden. In der Regel wird dann erst ab dem dritten Jahr die Umsetzung der Sanierung beschlossen. 
In der Zwischenzeit müssen sanierungswillige Eigentümer Überzeugungsarbeit leisten. Teilweise kommt es zur Fraktionsbildung. Bestenfalls können Bauausschüsse oder 
Verwaltungsbeirat den Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaften dabei unterstützen, das Projekt 
voranzutreiben.

Um Zeitverzögerungen zu vermeiden, können die Rechte des Verwalters durch Beschluss erweitert werden (§ 27 Abs. 2 WEG). Die Delegation kann sich zum Beispiel auf die Beauftragung von Beratern oder die Ermächtigung zur Auftragserteilung nach Einholung von Vergleichsangeboten beziehen. Dabei bedarf es konkreter Vorgaben an den Verwalter. Es bietet sich alternativ ein Absenkungsbeschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG an, um nach Einholung und Vorlage der Vergleichsangebote mehrheitlich in Textform über die Auftragsvergabe zu beschließen. Grund- und Ausführungsbeschluss erfolgen dann zwar zeitlich versetzt; die Entscheidungsfindung bleibt aber bei der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Bei den Beschlüssen und Kosten bedarf es zwingend einer Einordnung der beabsichtigten Maßnahme. Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) regelt die energetische Sanierung nicht. Zudem wurde die modernisierende Instandsetzung (§ 22 Abs. 3 WEG a. F.) gestrichen. Das WEG kennt nur noch Erhaltungsmaßnahmen (früher: Instandhaltung und Instandsetzung) in § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG und bauliche Veränderungen in § 20 Abs. 1 WEG.

Die Abgrenzung von Erhaltungsmaßnahmen zu baulichen Veränderungen spielt – weil beides dem Mehrheitsbeschluss unterworfen ist – bei der Beschlussfassung zwar keine Rolle mehr, umso mehr aber bei den Kosten. 
Während für die Erhaltungsmaßnahmen allein § 16 Abs. 2 WEG gilt („Kosten nach MEA“), sieht § 21 WEG für bauliche Veränderungen eine differenzierte Kostenverteilung vor.

Im Anwendungsbereich des § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG ist 
Voraussetzung, dass (a) tatsächlicher Erhaltungsbedarf am „Sollzustand“ eines Bauteils und (b) eine „technisch bessere oder wirtschaftlich sinnvollere Lösung“ (bei Kosten-
Nutzen-Analyse) besteht. Soweit der Verfasser der Meinung folgt, dass die modernisierende Instandsetzung weiterhin als (ungeschriebener) Unterfall des § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG anzuerkennen ist (andere Auffassung: bauliche Veränderung), handelt es sich auch bei einer Erhaltungsmaßnahme mit zeitgemäßer Anpassung unter energetischen Gesichtspunkten um einen Fall des § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Es bedarf eines Mehrheitsbeschlusses. Die Kosten werden nach dem allgemeinen Kostenschlüssel verteilt.

Die energetische Maßnahme ohne Erhaltungsbedarf fällt dagegen unter § 20 Abs. 1 WEG. Die in § 20 Abs. 2 WEG aufgeführten privilegierten Maßnahmen sind abschließend. Energetische Maßnahmen fallen nicht darunter. Die Kosten einer (reinen) baulichen Veränderung haben (nur dann) 
alle Wohnungseigentümer zu tragen, wenn sich die Kosten innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren 
(§ 21 Abs. 2 Satz 2 WEG). Erforderlich ist die angreifbare Erkenntnis – zum Zeitpunkt der Beschlussfassung –, dass innerhalb eines abgrenzbaren Zeitraums der Aufwand 
entweder durch Vermögenszufluss oder Kostenersparnis kompensiert wird. Derzeit sollte als Orientierung auf die zur modernisierenden Instandsetzung entwickelte Rechtsprechung zurückgegriffen werden, wonach der Zeitraum 
„im Regelfall“ zehn Jahre beträgt.

Steht nicht fest, ob sich eine energetische Sanierung 
amortisiert, kann die Kostenlast sämtlicher Wohnungseigentümer durch Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 WEG erreicht werden. Als Notlösung kommt ein flankierender Kostenbeschluss nach § 21 Abs. 5 WEG in Betracht, mit dem die Kostenlast sämtlicher Wohnungseigentümer mit Mehrheit beschlossen wird. Ein entsprechender Zitterbeschluss ist (potenziell) rechtswidrig. Diese Vorgehensweise erfordert besondere Kenntnis und Vorsicht des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

Die energetische Sanierung durchläuft regelmäßig ein mehrstufiges Verfahren. Herausforderungen für die Verwaltungspraxis bestehen vor allem bei den Beschlüssen und Kosten. Viele WEGe führen nach Rom – das Ziel ist aber erreichbar – step by step.

Carsten Küttner
www.wir-breiholdt.de

Carsten Küttner ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in Hamburg und hat auf dem Deutschen Immobilienverwalter Kongress am 4. und 5. Mai 2023 in Berlin einen Vortrag zu diesem Thema gehalten.

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