Interview mit Aygül Özkan, Ministerin a.D., Geschäftsführerin des ZIA

Die größten Aufgaben für die Immobilienwirtschaft

ZIA und BVI sind durch eine lange Geschichte und eine enge Zusammenarbeit verbunden. Der BVI ist Mitglied des Spitzenverbands der Immobilienwirtschaft, bei vielen Themen erfolgt die Kommunikation Hand in Hand. Handlungsempfehlungen des ZIA, wie zuletzt etwa der Verhaltenskodex für Mieter und Vermieter von Gewerbeimmobilien, stehen auch den BVI-Mitgliedern zur Verfügung. Im September 2020 wurde Aygül Özkan, Ministerin a.D., zur weiteren Geschäftsführerin des ZIA berufen. Für das BVI-Magazin beantwortet sie Fragen zu den kommenden Plänen des ZIA sowie zu ihren eigenen Erfahrungen in der Immobilienwirtschaft.

BVI-Magazin: Welche Schwerpunkte wird der ZIA in den nächsten Monaten setzen?

Aygül Özkan: Wir stehen am Anfang eines sehr spannenden und herausfordernden Jahres für die gesamte Branche. Zunächst müssen wir die massiven Probleme im Handel und für die Hotels angehen. Der Lockdown hat diese hart getroffen. Wir haben uns sehr für schnellere und höhere Hilfen eingesetzt und sind nach einigen Nachbesserungen auch auf einem guten Weg. Aber es bleibt dabei, die beste Hilfe bleibt die Öffnung. Ein entsprechendes Konzept haben wir bereits entwickelt.

Zum anderen befinden wir uns in einem Superwahljahr, was uns natürlich in die besonders intensive Auseinandersetzung mit den Parteien und ihren Wahlprogrammen lenkt.

BVI-Magazin: Was sehen Sie aktuell als die größten Aufgaben für die Immobilienwirtschaft und wie gut sehen Sie die Branche dafür gewappnet?

Aygül Özkan: Ohne Zweifel ist Corona momentan die schwerste Herausforderung für Teile der Branche. Wir haben bereits im letzten Jahr einen Code of Conduct mit dem HDE entwickelt, der eine Blaupause für eine Einigung zwischen Vermieter und Mieter bildet. Der Erfolg war sehr groß: 80 Prozent unserer Mitglieder haben sich mit Ihren Mietern von Handelsflächen auf Stundungen oder auch einen teilweisen Mietverzicht geeinigt. Im zweiten Schritt haben wir ein Öffnungskonzept entwickelt, dass deutlich differenzierter ist als die reine Fokussierung auf die Inzidenz. Damit wäre eine Öffnung möglich, ohne den Gesundheitsschutz zu vernachlässigen.

Parallel gibt es natürlich weitere langfristige Herausforderungen zu meistern, wie z.B. einen größeren Beitrag der Immobilienbranche zum Klimaschutz sicherzustellen. Hier sind wir mit unseren Mitgliedern engagiert dabei, unsere Ideen einzubringen. Wir konnten zuletzt Durchbrüche bei der Förderung von Mieterstrom erzielen und versuchen nun auch ein faires Modell für die CO2-Umlage durchzusetzen. Die Immobilienbranche ist mit der Politik im engen Austausch, um den Klimaschutz im Gebäudesektor voranzubringen.

BVI-Magazin: Welche Themen werden aus Ihrer Sicht insbesondere auf die Immobilienverwaltung zukommen?

Aygül Özkan: Da die WEG-Reform seit dem 1. Dezember 2020 greift, kommen auch neue Herausforderungen auf die Verwalter zu, wie z.B. die digitale Eigentümerversammlung. Angesichts der weiter anhaltenden Pandemie, ist davon auszugehen, dass mehr WEGs schnell den erforderlichen Beschluss fassen, als es vorher vielleicht abzusehen war.

Als ZIA begrüßen wir zudem, dass die Schaffung von Ladeinfrastruktur für Elektromobilität vereinfacht wird. Verwalter wird das in der Praxis aber noch beschäftigen. Ein, zwei Ladepunkte sind im Bestand technisch oft kein Problem, der Punkt, an dem der herkömmliche Hausstromanschluss nicht mehr die erforderliche Leistung bringt, ist aber schnell erreicht. Dann stellt sich die Frage, wer für die Trafostation und weitere notwendige technische Maßnahmen die dann erforderliche, meist sechsstellige Summe aufbringt. Das ist aus unserer Sicht im Gesetz nicht klar genug geregelt und kann zu Streit in einer WEG führen.

BVI-Magazin: Wie hat aus Ihrer Sicht als ehemalige Gesundheits- und Bauministerin in Niedersachsen die Immobilienwirtschaft die Corona-Krise bislang gemeistert?

Aygül Özkan: Die Pandemie hat unterschiedlichen Einfluss auf die Immobilienwelt. Der Handel und die Hotels z.B. haben im letzten Sommer ihre Hausaufgaben gemacht und vorbildliche Hygienekonzepte entwickelt. Studien bestätigen inzwischen, dass der Handel ein sicherer Platz ist. Wir brauchen nun eine Öffnungsperspektive, damit Händler und Hotels wieder die Chance haben, das Ruder selbst in die Hand zu nehmen.

Bei den Wohnimmobilien haben unsere Mitglieder uns gemeldet, dass es nicht mehr Mietausfälle gab als sonst auch. Für die wenigen akuten Fälle konnte in aller Regel eine Lösung gefunden werden. Wir haben bereits vor der Pandemie gemeinsam mit dem Mieterbund einen Ethikkodex für die Wohnungswirtschaft entwickelt, der auch wirklich gelebt wird.

BVI-Magazin: Welche Ziele verfolgen Sie mit dem ZIA für die nächsten Jahre?

Aygül Özkan: Unsere Mitglieder haben uns als wichtigste Themen für die kommende Legislaturperiode Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz sowie die Bewältigung der Folgen der Coronakrise benannt. Hier werden wir die Schwerpunkte für unsere Arbeit und die vielen Gespräche der nächsten Monate legen.

Da die Coronakrise die Assetklassen Handel und Hotel vor große Herausforderungen stellt, müssen wir hier zügig Lösungen erarbeiten. Eine eigene Arbeitsgruppe befasst sich zum Beispiel bereits mit der Frage, wie wir unsere Innenstädte in Zukunft wieder attraktiv gestalten können, wenn der stationäre Einzelhandel hier in Teilen ausfällt. Wir gehen davon aus, dass die Monokultur des Konsums hier ausgedient hat. Wohnen, Kultur und andere belebende Elemente müssen wieder in die Städte kommen. Dafür brauchen wir mehr Planungs- und Baubeschleunigung, um zügig und flexibel Städte gestalten zu können.

Zudem bereiten wir uns auf die Bundestagswahl und auch schon auf mögliche Koalitionen danach vor.

BVI-Magazin: Sie sind seit September 2020 in der Geschäftsführung des ZIA, zuletzt waren Sie als Geschäftsführerin und Mitglied der Management Group Germany der Deutschen Bank PCC Services GmbH tätig. Was waren für Sie die größten Herausforderungen bei Ihrem Wechsel in die Verbandswelt und die Immobilienwirtschaft?

Aygül Özkan: Ich freue mich vor allem darüber, dass ich meine langjährige Erfahrung aus meiner Tätigkeit in der Wirtschaft und Politik jetzt in die Arbeit des ZIA als Spitzenverband der Immobilienwirtschaft einbringen kann. Ich kann in vielen aktuellen Themenstellungen „Übersetzerin und Brückenbauerin“ sein. Dabei schätze ich die Arbeit der ZIA-Geschäftsstelle mit seiner großen Themenbreite und einem sehr kompetenten Team. Hier sind wir als agiles Schnellboot unterwegs und das macht richtig Spaß. Ich gehe mit sehr viel Freunde an die kommenden Herausforderungen!

BVI e.V.

www.bvi-verwalter.de

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