Die Handlungsoptionen des Verwalters

Eigentümerversammlungen in Corona-Zeiten

Lockdown, Teil-Lockdown, Kontaktbeschränkungen: Die vergangenen Wochen und Monate waren geprägt von raschen Änderungen und damit unübersichtlichen Rechtslagen für Immobilienverwalter. Die Lage ist aufgrund der zum Teil stark unterschiedlichen Lage in Deutschland nach wie vor dynamisch und stark abhängig von der Region.

Rüdiger Fritsch, Fachanwalt für WEG- und Mietrecht, erläutert einige grundlegende Punkte, die Immobilienverwalter unabhängig von der aktuellen, individuellen Situation in den Bundesländern und Kommunen bedenken sollte.

Wohnungseigentumsrechtliche Rahmenbedingungen

Gem. § 24 Abs. 1 WEG ist der Verwalter verpflichtet, zumindest einmal im Jahr eine Eigentümerversammlung abzuhalten. Weigert sich der Verwalter pflichtwidrig, eine Eigentümerversammlung abzuhalten, kann er gem. § 24 Abs. 2 WEG hierzu verpflichtet und notfalls auch gerichtlich in Anspruch genommen werden. Gem. § 24 Abs. 3 WEG besteht in solchen Fällen zudem eine ersatzweise Einladungsbefugnis der Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats bzw. dessen Stellvertreters.

Kein Ermessensspielraum des Verwalters bei behördlicher Zulässigkeit

Verstößt die Abhaltung einer Eigentümerversammlung indes gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen (hier: gegen die Corona-Schutzverordnung des jeweiligen Bundeslandes bzw. gegen eine Allgemeinverfügung der Kommunalbehörde), ist der Verwalter als zur Einladung und Abhaltung der Eigentümerversammlung gem. § 24 Abs. 1 WEG primär befugtes Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt und auch verpflichtet, von der Ladung zu eigentlich anstehenden Versammlungen abzusehen bzw. bereits angesetzte Versammlungen abzusagen.

Sieht die entsprechende öffentlich-rechtliche Bestimmung ein Verbot der Abhaltung von Eigentümerversammlungen vor, so besteht auch keine Möglichkeit der Eigentümer, den Verwalter gem. § 24 Abs. 2 WEG zur Einladung und Abhaltung einer Eigentümerversammlung zu verpflichten[1]; ebenso wenig besteht mangels pflichtwidrigen Verhaltens des Verwalters eine ersatzweise Einladungsbefugnis des Beiratsvorsitzenden oder dessen Stellvertreters gem. § 24 Abs. 3 WEG [2].

Ermessensspielraum des Verwalters bei behördlicher Zulässigkeit

Ist die Abhaltung einer Eigentümerversammlung, insbesondere unter Beachtung der öffentlich-rechtlichen Auflagen, zulässig, so besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch der Wohnungseigentümer dahingehend, dass der Verwalter auch eine Versammlung abhält.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass nach einer hierzu vertretbaren Auffassung die Grundwertung der von den Bundesländern erlassenen Corona-Schutzverordnungen zu beachten ist. Hiernach wird jedermann anlässlich der Corona-Pandemie angehalten, die physisch-sozialen Kontakte zu anderen Menschen außer den Angehörigen des eigenen Hausstandes auf das absolut nötige Minimum zu reduzieren.

Dies kann dem Verwalter die Möglichkeit geben, sich im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung auch gegen die Abhaltung einer Eigentümerversammlung zu entscheiden, insbesondere dann, wenn die Abhaltung einer Eigentümerversammlung zur Entscheidung über Beschlussgegenstände untergeordneter Bedeutung oder durch das COVID-19-Gesetz v. 27.3.2020 gem. Art. 2 § 6 Abs. 1 und 2 bereits gesetzlich geregelter Sachverhalte (Verwalterbestellung/Wirtschaftsplan) verlangt wird.

Nach anderer Auffassung besteht kein diesbezüglicher Ermessensspielraum des Verwalters, denn diesem oder den Wohnungseigentümern kann zugemutet werden, trotz Corona an einer Eigentümerversammlung teilzunehmen, wenn der für den Seuchen- und Gesundheitsschutz zuständige Verordnungsgeber durch entsprechende Regelung die Auffassung vertritt, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine Eigentümerversammlung abgehalten werden kann.

Derjenige Eigentümer, dem das gesundheitliche Risiko zu groß erscheint, könne sich ja vertreten lassen (vgl.: AG Dortmund, Urt. v. 25.3.2020 - 514 C 84/20, ZMR 2020, 790).

Die Suche nach dem geeigneten Veranstaltungsort

Selbst wenn die für das jeweilige Bundesland gültige Verordnung sowie die jeweilige Allgemeinverfügung der betreffenden Kommune die Abhaltung einer Eigentümerversammlung grundsätzlich zulässt, so stellt sich weiter die Frage nach dem geeigneten Versammlungslokal.

Die jeweiligen Corona-Schutzverordnungen sehen nämlich vor, dass der jeweilige Veranstalter (also der Verwalter) die Verantwortung für die Einhaltung der allgemeinen Hygiene- und Gesundheitsschutzmaßnahmen sowie, je nach Bundesland, Ort und Größe der Veranstaltung, auch die Verantwortung für besondere Schutzmaßnahmen sowie für die Erstellung und den Nachweis eines Hygienekonzepts trägt.

Es ist grundsätzlich davon abzuraten, die damit verbundene Verantwortung (und auch Haftung) zu übernehmen.

Leider ist es aufgrund der angeordneten Schließung gastronomischer Betriebe dem Verwalter nicht mehr möglich, bei größeren Eigentümerversammlungen regelmäßig auf die Anmietung geeigneter Räume in gastronomischen Einrichtungen auszuweichen und die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der allgemeinen Hygiene- und Gesundheitsschutzmaßnahmen sowie eines Hygienekonzepts (das Gastronomen ohnehin entwickelt hatten) auf den Vermieter der Räumlichkeiten abzuwälzen.

Sollte ein geeigneter Veranstaltungsort außerhalb gastronomischer Einrichtungen gefunden werden, so ist hier vertretener Auffassung nach sicherzustellen, dass der Vermieter der Räumlichkeiten auch die o.g. Voraussetzungen sicherstellt.

Rüdiger Fritsch

www.krall-kalkum.de

BVI-Mitglieder finden laufend ausführliche Verwalterinformationen zu den einzelnen Regelungen in den Bundesländern unter https://bvi-verwalter.de/aktuelles/bvi-verwalterinformationen/, die regelmäßig aktualisiert werden.

Unter https://bvi-verwalter.de/aktuelles/news/ sind zudem alle Bestimmungen der Bundesländer verlinkt.

 

[1]  OLG Celle, Beschl. v. 25.6.2003 - 4 W 64/03, MietRB 2003, 74.

[2]  LG München I, Urt. v. 28.6.2012 - 36 S 17241/11 WEG, ZMR 2012, 819.

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