„Immobilienverwalter dürfen bei der anstehenden Transformation nicht allein gelassen werden“

Interview mit Timo Schisanowski

Timo Schisanowski, für die SPD-Fraktion Ordentliches Mitglied im Bauausschuss des Deutschen Bundestages, über Sockelförderung und Klima-Geschwindigkeitsbonus beim Heizungsgesetz, die Verwalterzertifizierung als Sachkundenachweis und warum die Bilanz der Ampelkoalition in der Wohnungs- und Baupolitik vorzeigbar ist.

BVI-Magazin: Herr Schisanowski, monatelang wurde über das neue Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“) debattiert, nun hat es der Bundestag endlich beschlossen. Die Gesetzesänderung birgt große Herausforderungen für Wohnungseigentümer, aber auch für Immobilienverwalter. Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Gesetzes ein und wo sehen Sie mögliche Schwierigkeiten in der Umsetzung?

Timo Schisanowski: Das Gebäudeenergiegesetz zeigt konkrete Wege, wie wir unser übergeordnetes Ziel zur Klimaneutralität bis 2045 im Gebäudebereich in den nächsten Jahren erreichen können. Uns als Sozialdemokraten war wichtig, dass wir die Menschen auf diesem Weg mitnehmen und niemand allein gelassen wird. Auch deshalb haben wir die zu Recht geäußerte Kritik aufgenommen und das Gesetz noch einmal stark nachverhandelt. Wohnungseigentümer sind nun nicht mehr verpflichtet, ab 2024 ihre Gas- oder Pelletheizung zwingend auszutauschen. Die Maßnahmen sind nunmehr richtigerweise technologieoffen und gekoppelt an die kommunale Wärmeplanung. Damit schaffen wir Klarheit und Planungssicherheit für die Menschen im Land.

BVI-Magazin: Wichtig im Zusammenhang mit der Gesetzesnovelle sind die Fördermöglichkeiten für den Heizungsaustausch. Wie kann man entgegenwirken, dass die Neuregelungen zu einem Übermaß an Bürokratie für den Staat und für Immobilienverwalter führen?

Timo Schisanowski: Die Vorgaben des ersten Regierungsentwurfs zur Reform des GEG enthielt tatsächlich zahlreiche unnötige und bürokratische Vorgaben, die viele Menschen zeitlich überfordert hätten. Nun ist es uns aber gelungen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Menschen beim Umstieg pragmatisch und unbürokratisch unterstützt. Austauschpflichten gibt es nur in wenigen Fällen und bereits nach geltendem Recht. Die Fördermöglichkeiten sind ebenfalls klar geregelt.

„Es ist zielführend, nunmehr auf Anreize zu setzen“

BVI-Magazin: An die vorherige Frage anknüpfend: Vor allem in Zeiten steigender Zinsen und geringer Rücklagen der Wohnungseigentümergemeinschaften stellt sich die Frage der Finanzierung der Modernisierungsvorhaben. Genügen aus Ihrer Sicht die Fördermöglichkeiten, um Wohnungseigentümern angemessen unter die Arme zu greifen?

Timo Schisanowski: Es ist zielführend, anstatt auf Verbote nunmehr auf Anreize zu setzen. Der Einbau oder Austausch des alten Öl- oder Gas-Heizkessels wird durch eine Sockelförderung von 30 Prozent für alle selbstnutzenden Eigentümer sowie auch für Vermieter und Kommunen gefördert. Hinzu kommt eine verstärkte Sozialkomponente von 30 Prozent zusätzlicher Förderung für selbstnutzende Eigentümer mit zu versteuernden Haushaltseinkommen von bis zu 40.000 Euro. Davon können rund 40 Prozent der selbstnutzenden Hauseigentümer profitieren. Dies ist ein klares Signal, dass gerade Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen besondere Unterstützung erhalten. Als zusätzliche Unterstützung wurde ein Klima-Geschwindigkeitsbonus in Höhe von 20 Prozent der Investitionskosten vereinbart, der ab 2028 degressiv um drei Prozent alle zwei Jahre abschmilzt. Damit soll ein Anreiz für eine möglichst frühe Umrüstung gerade besonders alter Heizungen geschaffen werden. Alle drei Förderkomponenten – Sockelförderung, Sozialkomponente und der Klima-Geschwindigkeitsbonus – sowie ein vereinbarter Erdwärmebonus von fünf Prozent sind miteinander kombinierbar. So ist ein maximaler Fördersatz von bis zu 70 Prozent möglich. Darüber hinaus haben Vermieter die Möglichkeit, Investitionskosten über eine neue Modernisierungsumlage von zehn Prozent auf die Mieter umzulegen, wenn sie die Förderung in Anspruch genommen haben. Um Mieter vor hohen Belastungen zu schützen, wird diese Umlage allerdings auf höchstens 50 Cent pro Quadratmeter begrenzt.

BVI-Magazin: Immobilienverwalter müssen neben ihrem „Brot-und-Butter-Erwerb“ jetzt als Manager der Energiewende für ihre Wohnungseigentümergemeinschaften immer mehr zusätzliche Aufgaben übernehmen. Der BVI fordert daher seit Langem eine angemessene Verwalter-vergütungsverordnung, die diesem Mehraufwand Rechnung trägt und die zusätzlich erbrachten Leistungen nach einem festen Vergütungssatz, der sich an den Kosten der Maßnahme ausrichtet, entlohnt. Wie ist Ihre Einschätzung dazu? Gibt es in diesem Bereich Bewegung?

„Am Ende profitieren auch Immobilienverwalter von einem frühen Umstieg“

Timo Schisanowski: Klar ist, dass Hauseigentümer und Immobilienverwalter bei der anstehenden Transformation nicht allein gelassen werden dürfen, sondern angemessene Unterstützung erfahren müssen. Die Bundesregierung setzt dabei jedoch stärker auf finanzielle Anreize für Investitionen. Denn am Ende profitieren selbstverständlich auch Immobilienverwalter von einem frühen Umstieg. Gas und Öl werden in den nächsten Jahren deutlich teurer – auch weil billiges Gas aus Russland nicht mehr zur Verfügung steht. Hinzu kommt, dass die Verbrennung fossiler Energieträger in Gebäuden mit einem kontinuierlich steigenden CO2-Preis belegt wird. Mit der finanziell subventionierten Energiewende sollen Hauseigentümer eben nicht stärker belastet, sondern die exorbitanten Kosten durch den Preisanstieg bei fossilen Energien für Verbraucher abgefedert werden.

BVI-Magazin: Die Branche hat mit der Einführung des „Zertifizierten Verwalters“ zum 15. Dezember 2023 das lang erwartete Gütesiegel erhalten; der echte „Sachkundenachweis“ jedoch, der im Koalitionsvertrag für WEG- und Mietverwalter versprochen worden ist, lässt auf sich warten. Rechnen Sie mit der Einführung noch in dieser Legislaturperiode?

Timo Schisanowski: Die Zertifizierung erfüllt bereits wichtige Anforderungen für einen Sachkundenachweis. So gibt die Zertifizierung Auskunft über die rechtlichen, kaufmännischen und technischen Kenntnisse des Immobilienverwalters. Damit lassen sich Qualifikationen und Kompetenzen besser einschätzen und das Vertrauen der Wohnungseigentümergemeinschaften in die Verwalter wird gestärkt. Darauf gilt es aufzubauen.

BVI-Magazin: Ihr Fazit nach zwei Jahren Ampelkoalition: Hat die Bundesregierung ihre Hausaufgaben in der Wohnungs- und Baupolitik gemacht? Welche Schulnote würden Sie Klara Geywitz und Dr. Robert Habeck als den zuständigen Ministern, welche der Koalition insgesamt geben?

„56 Prozent der im Koalitionsvertrag niedergeschriebenen Vorhaben im Bereich Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung sind bereits umgesetzt“

Timo Schisanowski: Angesichts dessen, dass noch nie zuvor eine neue Bundesregierung so fortdauernd so viele Krisen bewältigen musste, ist die Bilanz in der Wohnungs-und Baupolitik durchaus vorzeigbar. Dies wurde erst vor einigen Wochen durch eine unabhängige Studie der Bertelsmann-Stiftung bestätigt. 56 Prozent der im Koalitionsvertrag niedergeschriebenen Vorhaben im Bereich Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung sind bereits voll oder teilweise umgesetzt, weitere 17 Prozent sind im Prozess oder angegangen. Dies ist in diesen wahrlich nicht einfachen Zeiten eine ordentliche Halbzeitbilanz. Nun gilt es vor allem die durch äußere Rahmenbedingungen bedingte Baukrise in Deutschland zu lösen. Die Bundesregierung hat dazu auf dem letzten Wohnungsgipfel ein starkes Maßnahmenpaket präsentiert, das nun zügig umgesetzt werden muss.

Stand: 13. Oktober 2023

TIMO SCHISANOWSKI


TIMO SCHISANOWSKI wurde 1981 in Hagen geboren und war unter anderem als Wirtschaftsjurist für ein Wohnungsunternehmen tätig. Seit 2021 ist er als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Hagen – Ennepe-Ruhr-Kreis I Mitglied des Deutschen Bundestages und sitzt für die SPD-Fraktion im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen.