KFW-STANDARDS UND SANIERUNG Interview mit Ulrich Lange, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen

Interview mit Ulrich Lange

„Das Förderchaos, das Herr Habeck ausgelöst hat, zerstört Vertrauen und Planungssicherheit“

Als Vertreter der größten Oppositionsfraktion gehört Ulrich Lange zu den gewichtigsten Stimmen, wenn es um die Bewertung der Regierungsarbeit geht. Wir haben ihn um eine Einschätzung des bisherigen Kurses der Ampelkoalition beim Wohnen und Bauen gebeten und unter anderem gefragt, wie sich mehr Energieeffizienz im Gebäudebestand erreichen lässt. Warum dabei aus seiner Sicht Zwang falsch ist und welche Rolle Planungssicherheit spielt, erklärt er im Interview.

BVI-Magazin: Herr Lange, derzeit beherrschen ein zunehmender Mangel an Bauland sowie steigende Bau- und Mietkosten das Geschehen auf dem Wohnungsmarkt. Die Regierungskoalition will 400.000 neue Wohnungen in dieser Legislaturperiode schaffen. In spätestens 23 Jahren soll zudem der gesamte Gebäudebestand klimaneutral sein. Sind diese Ziele aus Ihrer Sicht realistisch?

Ulrich Lange: Die Ampelkoalition hat sich diese Zahlen zum Ziel gesetzt und wir werden sie nun daran messen – das ist unsere Aufgabe. Wer sich aber die ersten Monate von Frau Geywitz und ihrem neu eingerichteten Ministerium ansieht, bekommt erhebliche Zweifel, wie diese Zielmarke erreicht werden soll. Diesen Eindruck teilen mittlerweile ja auch erste Branchenvertreter. Die Ampel muss deshalb nun endlich liefern und die riesigen Aufgaben, die anliegen, endlich anpacken.

Denn die Bau- und Immobilienbranche ist aktuell an allen Fronten mit Herausforderungen konfrontiert, wie man sie so zuvor wohl noch nie erlebt hat. Eine ohnehin angespannte Marktlage wird in den letzten Monaten zusätzlich massiv durch den akuten Mangel an Grund- und Rohstoffen und einem immer extremeren Engpass an Fachkräften verschärft. Was es nun dringend braucht, ist eine Politik, die diese Lage so gut es geht entspannt und sie nicht wie die Ampelregierung zusätzlich befeuert oder einfach verschläft.

Wo sind die Initiativen der Ministerin? Wo bleibt beispielsweise eine dringend notwendige Fachkräfteoffensive Bau? Welche Maßnahmen gibt es, um die Mobilisierung von Bauland zu steigern? Diese Liste könnte man ewig weiterführen. Es brauchte zum Beispiel zügig Brachflächenprogramme, um Ortskerne und Innenstädte wiederzubeleben und nicht permanent neue Äcker und gute Böden zu versiegeln – ein Instrument, das die Sozialdemokraten in der vergangenen Wahlperiode beständig blockiert haben. Es gibt haufenweise Handlungsbedarf.

Wenn man sich aber die jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung ansieht, kann man nur fassungslos den Kopf schütteln. Beispiele, wie man es nicht macht, gab es leider in den letzten Wochen genug. Das Förderchaos, das Herr Habeck quasi ohne Mitsprache von Frau Geywitz ausgelöst hat, zerstört Vertrauen und Planungssicherheit. Erfolgreiche und erprobte Instrumente zur Eigentumsförderung wie das Baukindergeld werden abgeschafft. In puncto Klimaneutralität brauchen wir keinen Zwang, sondern Anreize. Das kann alles so nichts werden.

BVI-Magazin: Beim Gebäudebestand lässt sich durch die Nutzung erneuerbarer Energien auch bei niedrigeren energetischen Standards Klimaneutralität erreichen. Die Koalition setzt dagegen voll auf Energieeffizienz mit immer schärferen Vorgaben. Immobilienbesitzer und Wohnungseigentümer werden sich nun gut überlegen, ob sie noch alte Bausubstanz sanieren oder lieber neu bauen. Welche Schwerpunkte müssten aus Ihrer Sicht politisch gesetzt werden angesichts des hohen Sanierungsbedarfs beim Altbestand?

Ulrich Lange: Ohne Zweifel bestehen bei Bestandsbauten enorme Einsparpotenziale durch Sanierungen. Diese müssen genutzt werden, um die Klimaschutzziele im Gebäudesektor erreichen zu können. Die Bundesregierung ist auch hier gefordert, Planungssicherheit zu gewährleisten und dadurch Hauseigentümer in die Lage zu versetzen, langfristig zu planen. Wir fordern die Ampel auf, dafür passend ausgestaltete Förderinstrumente zu schaffen. Um wirklichen Fortschritt zu erlangen, braucht es dabei vor allem Technologieoffenheit. Wer bloß auf sture Ordnungspolitik setzt, wie es die Ampel andeutet, nimmt die Leute nicht mit, sondern erzeugt Zwang und stellt sie – wie von Ihnen beschrieben – letztlich vor die Wahl: entweder oder. So ein Vorgehen bringt uns nicht weiter.

Wir reden hier außerdem von einer riesigen Aufgabe – da brauchen alle Beteiligten Klarheit, wie man es langfristig angehen kann. Verlässliche Sanierungsfahrpläne funktionieren nur mit einer solide sichergestellten und mehrjährigen Finanzierung, die langfristig durch Fördermittel flankiert wird. Hier sind Unklarheiten und kurzfristiges Umsteuern Gift. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass das Handwerk und die Industrie Planungssicherheit benötigen, um die enormen Kapazitäten vorzuhalten, die benötigt werden, um den Gebäudebestand in Deutschland nachhaltig zu modernisieren.

BVI-Magazin: Jüngst hat die Bundesregierung mit dem KfW-40-Standard die Anforderungen für die Förderung von Neubauten deutlich verschärft – Wohngebäude nach dem KfW-55-Standard werden damit nicht mehr bezuschusst. Wie lässt sich Effizienz fördern, ohne dass das Risiko eines Rückgangs der Bautätigkeit steigt?

Ulrich Lange: Meines Erachtens gibt es eine hohe Bereitschaft bei den Menschen, in mehr Effizienz, Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu investieren. Das erleben wir allerorten – es ist überall Thema Nummer eins, sei es bei Bauherren oder Projektierern. Das ist doch auch im besten eigenen Interesse eines jeden, der sich entschließt, ein Gebäude mit einer Lebenszeit von 50, 60, 80 Jahren zu bauen. Die Darstellung, es ginge immer und nur darum, jeden Fördereuro abzugreifen, verkennt, wie komplex und vielschichtig so ein Projekt ist.

Aufgabe der Politik ist es, dieses Bewusstsein und diese Bereitschaft zu unterstützen und mit klugen Förderinstrumenten eine gewisse Lenkungswirkung am Markt zu erzeugen. Was sich aber verheerend auswirkt – und damit sind wir wieder bei der aktuellen Politik der Ampel – ist ständiges und abruptes Umsteuern bei der Regulierung. Was private Häuslebauer ebenso dringend brauchen wie Investoren und die Industrie, ist Planungssicherheit. Mit einem klaren und langfristigen Pfad bin ich zuversichtlich, dass Innovation und Bewusstseinswandel dazu beitragen werden, nachhaltige Effizienzsteigerung zu ermöglichen. Das gilt wohl in keiner anderen Branche so sehr wie im Baubereich. Genau hier handeln Habeck und Co. aber fatal, indem sie über Nacht alles auf links drehen. Hier muss sich die Bauministerin innerhalb des Kabinetts behaupten und im eigenen Politikbereich die Richtung vorgeben.

ULRICH LANGE
Mitglied des Deutschen Bundestages

INFORMATION

ULRICH LANGE wurde 1969 in Meran, Südtirol geboren. Als direkt gewählter Abgeordneter ist er seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 2021 in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion als stellvertretender Vorsitzender zuständig für Verkehr, Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Lange ist Rechtsanwalt und Mitglied der CSU.

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