Interview mit Kassem Taher Saleh, MdB

„Verbindliche Qualifikationen für Verwalter sind wichtig“

Der Obmann von Bündnis 90/Die Grünen im Bauausschuss des Deutschen Bundestages über Blockaden des Bundesjustizministeriums, die Reform der Bundesförderung für effiziente Gebäude und nachhaltiges Wohneigentum.

BVI-Magazin: Herr Taher Saleh, die Wohnungs- und Baupolitik ist seit dieser Legislaturperiode (wieder) in einem eigenen Ministerium organisiert. Doch erst seit Oktober 2022, nach zehn Monaten, gibt es auf der Website des BMWSB ein erstes Organigramm, in dem noch viele Ansprechpartner und Kontaktdaten für die Immobilienbranche fehlen. Inwiefern lässt sich der dadurch erweckte Eindruck zerstreuen, das Ministerium sei mehr mit dem eigenen Aufbau beschäftigt als mit dem Bau von Wohnungen und der Förderung des Wohneigentums?

Kassem Taher Saleh: Organigramm hin oder her – ich bin mir sicher, dass die Immobilienbranche es nach fast einem Jahr geschafft hat, ihre richtigen Ansprechpartner zu finden.

Natürlich braucht der Aufbau eines funktionierenden Ministeriums, das vor so großen Aufgaben steht, Zeit. Zumindest in der parlamentarischen Arbeit sehen wir, dass das Ministerium anläuft. Die Holzbaustrategie ist auf dem Weg, die Weiterentwicklung der Neubauförderung ist bald abgeschlossen, das CO2-Kosten-Aufteilungsgesetz ist auf dem Weg und die Novelle des Baugesetz-Buches ist in Planung. Aber auch ich würde mir etwas mehr Tempo bei der Planung der Neuen Wohngemeinnützigkeit, unserem bündnisgrünen Herzensprojekt, wünschen.

Erlauben Sie mir noch einen Seitenhieb: Der Erfolg des Bauministeriums ist auch von den anderen Ministerien abhängig. Das Vorkaufsrecht ist ein gutes Beispiel. Hier blockiert leider das Justizministerium eine städtebauliche Maßnahme, die sich zuvor jahrelang bewährt und die Mietpreiserhöhung in vielen Städten ein Stück weit gepuffert hat.

BVI-Magazin: Derzeit gefährden die Energiekrise und die Preisexplosionen bei den Baukosten sowie Lieferengpässe, Materialknappheit und der Fachkräftemangel die Ertüchtigung des Gebäudebestands. Hinzu kommt das Durcheinander bei den Programmen zur Förderung der Energieeffizienz von Häusern. Dies betrifft besonders unsere Mitglieder als Bestandsverwalter. Wie will die Regierungskoalition gegensteuern und wieder Vertrauen gewinnen, damit notwendige Maßnahmen für Gebäude nicht unterbleiben?

„All die Herausforderungen lassen sich nicht mit einer einzelnen Maßnahme beseitigen“

Kassem Taher Saleh: All die Herausforderungen, die Sie ansprechen, sind seit Jahren gewachsen und lassen sich nicht mit einer einzelnen Maßnahme, die die Regierung treffen könnte, beseitigen. Der Fachkräftemängel zum Beispiel besteht nicht erst, seitdem es die Ampel gibt. Hierfür gibt es nun eine breit gefasste Fachkräftestrategie, die Dinge übergeordnet anvisiert.

Ähnlich ist es bei der von Anfang an falsch aufgestellten Förderung: der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Übrigens noch von der alten Regierung. Der Fokus hätte hier von Beginn an auf dem Gebäudebestand liegen müssen – das mussten wir erst im Laufe des Jahres nachbessern. Der Förderstopp war ein Einschnitt und auch danach ist nicht alles richtig gelaufen, gerade für private Bauherren. Damit das künftig besser läuft, ist die erste Voraussetzung, genügend Gelder bereitzustellen und damit vorausschauend zu wirtschaften. Das sollte der Bundesregierung mit der reformierten BEG, wie sie nächstes Jahr an den Start geht, gelungen sein. Zukünftig werden durch diese nur noch besonders nachhaltige Neubauten gefördert. Dafür wird das bereits bestehende QNG-Siegel weiterentwickelt und die Lebenszyklusbetrachtung eingeführt.

BVI-Magazin: Für die Energiewende von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist die Reduzierung der CO2-Emissionen im Gebäudebestand. Dennoch ist die Quote für dessen Sanierung nach wie vor unbefriedigend. Das liegt auch an der finanziell hohen Belastung für WEG-Eigentümer, die für die ständig verschärften energetischen Standards nicht genügend Rücklagen bilden können – im Gegensatz zu Mietern, die keine derartigen finanziellen Belastungen schultern müssen. Nun kommen noch die Energiekrise und der gestiegene Leitzins hinzu, die die Preise zusätzlich nach oben treiben. Wie lassen sich Bezahlbarkeit und Klimaschutz von Gebäuden langfristig vereinbaren, auch mit Blick auf die kommenden Sanierungspflichten, die die Europäische Union anstrebt?

„Eigentum verpflichtet“

Kassem Taher Saleh: Eine Energiewende, wie wir Bündnisgrünen sie uns vorstellen, bedeutet zum einen den konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien und zum anderen massive Fortschritte in puncto Energieeffizienz. Die Folge neben geringerer CO2-Emissionen sind dann auch geringere Heizkosten. Langfristig können Eigentümer mit erneuerbaren Energien nicht nur Geld sparen, sondern Geld verdienen, da sie zum Beispiel den selbst produzierten Strom in das öffentliche Netz einspeisen.

Die meisten Mieter können jedoch nicht mitentscheiden, ob ihre Wohnung saniert wird. Das kommt vor allem in diesem Winter zu tragen, wenn Menschen mit niedrigen Einkommen, die nachweislich in energetisch schlechter gestellten Wohnungen leben, ihre Wohnung nicht warm bekommen. Hier müssen Vermieter in Verantwortung gezogen werden und ihre Gebäude energetisch aufrüsten. Denn Eigentum verpflichtet. Auch deshalb muss der CO2-Preis zwischen Vermietern und Mietern aufgeteilt werden.

Mit dieser Aufgabe lässt die Bundesregierung Hausbesitzer natürlich nicht allein. 2023 sind 13 Milliarden Euro für die BEG eingeplant. Wir haben schon vor Jahren verstanden, wie wichtig der Gebäudebestand ist. Wenn also 13 Milliarden Euro ab nächstem Jahr in die Sanierungsförderung fließen, dann ist das zwar immer noch nicht genug nach unserem Geschmack, aber im Gegensatz zu den 1,1 Milliarden Euro für die Neubauförderung ein eindeutiges Signal.

BVI-Magazin: Die Fördermittel für privilegierte Maßnahmen nach dem Wohnungseigentumsgesetz sind ausgeschöpft. Dabei müssen solche Maßnahmen, die für die Erhöhung des Wohnkomforts und das selbstständige Wohnen im Alter von hoher Wichtigkeit sind, für Eigentümer und Verwalter langfristig planbar sein. Wie wollen Sie das künftig sicherstellen – Stichwort zinsgünstige Kredite?

„Der Anteil an barrierearmen Wohnungen ist immer noch viel zu klein“

Kassem Taher Saleh: Der Anteil an barrierearmen Wohnungen ist immer noch viel zu klein, obwohl wir in einer alternden Gesellschaft leben, in der der demografische Wandel eine wichtige Rolle spielt. Um Maßnahmen zum Umbau von Wohnraum zu fördern, werden wir das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ stärken. Für nächstes Jahr konnten wir dazu Gelder im Haushalt bereitstellen und schaffen somit Planungssicherheit.

BVI-Magazin: Für den Herbst ist ein Programm zur Förderung des Wohneigentums angekündigt. Welche Maßnahmen wird es konkret enthalten?

Kassem Taher Saleh: Die Nachfolge des Baukindergeldes ist eine Förderung für Schwellenhaushalte und fördert vor allem Familien mit Kindern, die selbstgenutztes Wohneigentum bauen möchten. Ein starkes Zeichen ist, dass dabei besonders klimafreundliches und nachhaltiges Wohneigentum entsteht. Die Förderung reiht sich dann in einen bunten Strauß weiterer Fördermaßnahmen der Bundesregierung ein. Nächstes Jahr fließen zum Beispiel 2,5 Milliarden Euro in die Förderung sozialen Wohnraums, und das neue Programm zur Förderung genossenschaftlichen Wohnens ist im Oktober auch an den Start gegangen.

BVI-Magazin: Wann ist mit der Einführung eines echten Sachkundenachweises für Miet- und WEG-Verwalter zu rechnen, wie er im Koalitionsvertrag versprochen wurde?

Kassem Taher Saleh: Verbindliche Qualifikationen für Verwalter sowie Klarheit und Transparenz für Verbraucher sind wichtig; daher haben wir uns im Koalitionsvertrag auf eine gewerberechtliche Regelung als echten Sachkundenachweis geeinigt. Auch an dieser Stelle sind wir auf die Arbeit anderer Ministerien angewiesen. Wir warten gespannt auf die Vorlage für den echten Sachkundenachweis seitens des Justizministeriums.

Stand: 28. Oktober 2022

Kassem Taher Saleh

Kassem Taher Saleh ist für die Bündnis 90/Die Grünen Bundestagfraktion Obmann im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, sowie Stellvertreter im Ausschuss für Klima und Energie und im Ausschuss für Menschenrechte. Er ist geboren in Zakho/Irak und aufgewachsen in Plauen im Vogtland. Nach dem Abschluss des Bauingenieurs-Studiums in Dresden arbeitete er als Bauleiter.

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