Erhaltungsmaßnahmen im Wohnungseigentum

Zum vermeintlichen Dogma der drei Vergleichsangebote

Immer noch verlangen zahlreiche Instanzgerichte in WEG-Verfahren „mindestens drei Vergleichsangebote“, damit der Beschluss über die Durchführung einer größeren bzw. teuren baulichen Erhaltungsmaßnahme rechtmäßig ist. Wenn etwa eine komplexe Gebäude-Instandsetzung beschlossen wurde, ohne dass sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) zuvor durch mindestens drei vergleichbare Angebote einen vermeintlichen Marktüberblick verschafft hatte, waren Anfechtungsklagen oft allein deshalb erfolgreich. Die Gerichte argumentierten, der Beschluss sei auf einer „ungenügenden Tatsachengrundlage“ gefasst. Den pauschalen Einwand vieler Verwalter, diese hätten keine weiteren Anbieter finden können, lassen Gerichte nicht gelten.

In einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 10. Februar 2023 – V ZR 246/21 Rn. 15 – heißt es in der Diskussion um die Zulässigkeit eines inhaltsgleichen Zweitbeschlusses: „[…] Ein derartiger Zweitbeschluss entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung […], wenn der in dem Vorprozess benannte Beschlussmangel behoben worden ist. Ein solcher Fall liegt z. B. vor, wenn in dem Vorprozess bemängelt wurde, dass für die beschlossene Auftragsvergabe nur ein Angebot vorliegt, und dann nach Vorlage der gerichtlich geforderten Zahl von Angeboten im Kern dieselbe Auftragsvergabe beschlossen wird. Ein Zweitbeschluss kann zudem dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn sich die darauf bezogenen tatsächlichen Umstände geändert haben. Dies ist beispielsweise anzunehmen, wenn zwar weiterhin die in dem Vorprozess bemängelte Vorlage weiterer Angebote unterblieben ist, der Grund hierfür aber nachweislich darin liegt, dass trotz ausreichender Anfragen keine weiteren Angebote abgegeben wurden.“

Konsequenz für den Verwalter als Organ der GdWE

Der Verwalter muss sich ernsthaft und nachweislich darum kümmern, Alternativ- oder Vergleichsangebote zu beschaffen. Nur wenn die konkret (!) darzulegende, nicht einfach später als gerichtsbekannt zu unterstellende nur pauschale Behauptung seiner Suche nachweislich erfolglos geblieben ist und er gegebenenfalls hierüber vorab die Wohnungseigentümer mit der Ladung zur Versammlung informierte, er dann in der Versammlung nur ein oder zwei Angebote vorlegen konnte, kann die Beschlussfassung auf der reduzierten Tatsachengrundlage gleichwohl ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Zu Beweiszwecken sind die Anfragen zu dokumentieren und der Sachbearbeiter im Prozess als Zeuge zu benennen. Bei Anbietern, die nicht reagieren, sollte nachgefragt werden. Ein Netzwerk oder ein Pool von Anbietern, mit denen der Verwalter oder die GdWE in der Vergangenheit bereits erfolgreich zusammengearbeitet hat, erleichtert dann die Nachweise.

Gegen das apodiktische Erfordernis mindestens dreier Vergleichsangebote spricht schon, dass die Wohnungseigentümer – auch nach Einholung der Vergleichsangebote – nicht verpflichtet sind, das billigste oder günstigste Angebot – wie man es bei einer Ausschreibung kennt – anzunehmen und zu realisieren (so bereits das Amtsgericht Hamburg-Blankenese, Urteil vom 15. April 2020 – 539 C 16/18, MietRB 2020, 244, Juris Rn. 133). Wenn eine Vorauswahl durch den Beirat und den Verwalter erfolgt und ein Preisspiegel von den Architekten erstellt worden war, wird dies auch genügen. Die Entscheidungsvorbereitung widerspricht nicht allein deshalb ordnungsmäßiger Verwaltung, weil nicht drei Vergleichsangebote vorgelegen haben (Hogenschurz, IMR 2020, 250).

Auch das Kriterium „bekannt/gut und bewährt“ kommt auch bei nur einem weiteren Angebot zum Tragen (LG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Februar 2023 – 19 S 65/22, ZMR 2023, 493).

Unterscheiden sich Alternativangebote im überschaubaren Leistungsumfang nicht erheblich, genügt zur Information der Eigentümer vor der Versammlung ein einfacher Preisspiegel (LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4. Juli 2022, 2–13 S 35/22, ZMR 2022, 915).

Dr. Olaf Riecke
weiland Richter am Amtsgericht Hamburg-Blankenese
[email protected]

Dieser Beitrag ist eine leicht gekürzte Fassung der BVI-Verwalterinformation „Über die Zahl der einzuholenden Vergleichsangebote bei Erhaltungsmaßnahmen im Wohnungseigentum. Eine Handlungsempfehlung des BVI Bundesfachverbandes der Immobilienverwalter e. V.“, erschienen im Mai 2023. Die Verwalterinformation finden BVI-Mitglieder in der Rubrik „Aktuelles“ nach Anmeldung auf der BVI-Website bvi-verwalter.de.

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